Großmöbelhaus sorgt für Ärger
Mehrere Städte im Rheinland streiten über das, was dort verkauft werden darf
Wer in der Adventszeit eines der riesigen Möbelhäuser in der Republik besucht, taucht in eine glitzernde, festlich illuminierte Weihnachtswelt ein. Lichterketten, Kerzen, Christbaumkugeln und andere Weihnachtsdekoration nehmen viel Raum ein. Daneben natürlich das ganzjährig angebotene Sortiment an Töpfen und Pfannen, Gläsern, Bechern und Essgeschirren, Tischdecken, Handtüchern und Bilderrahmen, Lampen und Wanddekorationen. Alles Gegenstände, die der Fachhandel in den Zentren der umliegenden Städte ebenfalls anbietet. Im Fachjargon heißen diese Artikel daher »zentrenrelevantes Randsortiment«.
Dieses steht jetzt im Mittelpunkt eines heftigen juristischen Schlagabtausches im Rheinland. Auf der einen Seite das Möbelunternehmen Segmüller aus Friedberg in Bayern und die Stadt Pulheim (ca. 54 000 Einwohner), nordwestlich von Köln gelegen. Auf der anderen Seite die Kreisstadt Bergheim (ca. 60 000 Einwohner) und die rechtsrheinisch gelegene Großstadt Leverkusen.
Segmüller betreibt in Süddeutschland sechs große Möbelhäuser mit teilweise bis zu 50 000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Vor einigen Jahren entschloss sich das Familienunternehmen, eine Filiale nördlich der Mainlinie zu bauen. Die Stadt Pulheim bot ein Gewerbegrundstück an und erteilte schließlich die Baugenehmigung. Segmüller plante für 45 000 m2 Verkaufsfläche eine Investitionssumme von rund 150 Millionen Euro und suchte dieses Jahr mit ganzseitigen Anzeigen nach Mitarbeitern. Am 8. Dezember, pünktlich zum Weihnachtsgeschäft, sollte eröffnet werden. Pulheim freute sich über rund 650 neue Arbeitsplätze.
Doch zu früh: Die Nachbarstädte Bergheim und Leverkusen sahen die Einzelhändler mit »Randsortiment« in ihren Zentren bedroht und forderten, dass Segmüller die Verkaufsfläche auf 30 000 m2 begrenzt, von denen maximal fünf Prozent, also 1500 m2, für das Randsortiment reserviert werden dürften. Üblicherweise zulässig sind indes zehn Prozent. »Der Fachhandel im Zentrum Bergheims wäre durch eine unangemessene Randsortimentfläche bei Segmüller gefährdet«, erklärte Ansgar Mirgeler Sprecher der Stadt Bergheim. Und die Größe dieser Fläche müsse »rechtssicher geregelt« werden.
Beide Nachbarstädte zogen vor das Verwaltungsgericht Köln, das im November die Baugenehmigung der Stadt Pulheim für rechtswidrig erklärte. Begründung: Es fehle ein rechtmäßiger Bebauungsplan.
Den zu erstellen kann allerdings mehrere Monate dauern. Das Familienunternehmen Segmüller und die Stadt Pulheim sahen den Eröffnungstermin daher schon in weite Ferne gerückt. Deshalb legten sie gegen das Urteil umgehend Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster ein. Mit Erfolg: Die Richter entschieden, dass Segmüller in Pulheim, wie geplant, im Dezember eröffnen könne. Die strittige Baugenehmigung der Stadt wäre ja für 30 000 m2 Verkaufsfläche erteilt worden - was der Forderung der Städte Bergheim und Leverkusen entspreche. Auch den Schutz der vielen Arbeitsplätze hatte das OVG im Blick, denn Segmüller stellte bereits über 400 Mitarbeiter für das Pulheimer Möbelhaus ein.
Unternehmenssprecher Reinhold Gütebier war über die Entscheidung erleichtert, besonders im Blick auf die vielen bereits eingestellten neuen Mitarbeiter. »Wir freuen uns über die positive Nachricht kurz vor Weihnachten«, erklärte er. Ansgar Mirgeler von der Stadt Bergheim wiederum sieht die Forderung der Nachbarstädte bestätigt, dass für das »Randsortiment« nur 1500 m2 zugelassen werden. Schließlich gehe es auch in Bergheim um Arbeitsplätze.
In einem ausstehenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln muss nun geklärt werden, welche Auswirkungen das mit 30 000 m2 genehmigte Möbelhaus auf die zentralen Versorgungsbereiche von Bergheim und Leverkusen habe. Die streitenden Parteien könnten sich jedoch auch mit einem außergerichtlichen Vergleich einigen. Daran feilen die Beteiligten derzeit und sind optimistisch, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.
Die von Segmüller verschobene Eröffnung des Pulheimer Möbelhauses ist nun doch noch vor Weihnachten vorgesehen: am 14. Dezember.
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