Zahlenspiele in Zürich

Der Fußballweltverband entscheidet über die Erweiterung der WM, die Verteilungskämpfe haben längst begonnen

Gianni Infantino war sich schon vor drei Monaten sicher. »Die Entscheidung wird beim nächsten Treffen des FIFA-Council im Januar gefällt«, sagte der Präsident des Weltverbandes über die Pläne zur WM-Erweiterung. An diesem Dienstag ist es so weit: Unter Tagesordnungspunkt 3.2 wird in Zürich über das Format der Fußball-Weltmeisterschaft 2026 beraten. Geht es nach Infantino, wird auch gleich entschieden - für den von ihm favorisierten Vorschlag mit 48 Mannschaften, die in 16 Dreiergruppen spielen.

Im Wahlkampf um die Nachfolge des gesperrten Präsidenten Joseph Blatter war der gebürtige Schweizer mit der Aufstockung von 32 auf 40 Teams angetreten. Das brachte ihm die wichtigen, weil zahlreichen Stimmen aus Afrika und Asien. Am 26. Februar 2016 gewann Infantino dann auch die Wahl. Im Oktober sprach er erstmals öffentlich von einer möglichen WM mit 48 Teilnehmern. Nach einer weltweiten Werbetour des Weltverbandes teilte der FIFA-Präsident dann im Dezember mit, dass eine »sehr, sehr große Mehrheit für 48 Teams in 16 Dreiergruppen« sei.

Vor der Beratung und einer möglichen Abstimmung am Dienstag hatte die FIFA allen Nationalverbänden ein Faktenpapier mit den vier neuen möglichen Modellen geschickt: jeweils zwei Varianten mit 40 oder 48 Mannschaften. Acht Fünfergruppen, zehn Vierergruppen, 16 Dreiergruppen oder Playoffs? Wie bisher 64 WM-Spiele, 76, 80 oder gar 96? Das wohl entscheidende Zahlenspiel offenbarte die Nachrichtenagentur AFP aus einem internen FIFA-Papier: Wenn ab 2026 bei Weltmeisterschaften 16 Nationen mehr als bislang teilnehmen, dann rechnet der Weltverband mit Mehreinnahmen von mindestens 600 Millionen Euro.

»Ein soziales Event« sei die WM, schwärmt Infantino und will mit der Erweiterung vor allem kleineren Ländern die Chance ermöglichen, daran teilzuhaben. Diese und ähnliche Begründungen klingen gut, sind aber nur repräsentables Beiwerk. Entscheidend sind andere Gründe. Das verrät selbst der Blick auf die Tagesordnung der Council-Sitzung in Zürich, Punkt 9 befasst sich mit dem Stand der Schweizer und der US-Ermittlungen. Die zahlreichen Skandale und Korruptionsfälle haben die FIFA in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. 2015 verbuchte sie erstmals seit 2002 einen Verlust: 110 Millionen Euro. Bis 2018 rechnet der Weltverband sogar mit einem Minus von mehr als 520 Millionen.

Die Aussicht auf finanziell bessere Zeiten lässt sogar hartnäckige Kritiker weich werden. So unterstützt beispielsweise der englische Fußballverband (FA) Infantinos Pläne einer 48er-WM. Skepsis hingegen herrscht beim Deutschen Fußball-Bund - aber auch dies lässt sich erklären. »Eine Entscheidung darf auf keinen Fall übereilt mit der Brechstange getroffen werden«, warnte DFB-Präsident Reinhard Grindel vor einem Votum durch die derzeit 33 Councilmitglieder am Dienstag. Warum? Weil der DFB bei dieser Entscheidung nicht mit am Tisch sitzen würde und somit keinerlei Verhandlungsspielraum in eigener Sache hat. Wenn überhaupt, dann rückt Grindel für den gesperrten ehemaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach erst im Frühjahr in das mächtige Gremium auf.

Dass längst an anderen Fronten gekämpft wird und somit eine Entscheidung für eine WM mit 48 Mannschaften schon besprochen sein könnte, zeigt die Reaktion aus England. Denn die FA unterstützt Infantino nur dann, wenn Europa im Verhältnis auch genügend neue Startplätze bekomme. Dafür kämpfen auch alle anderen Kontinentalverbände.

Nicht die Aufstockung, sondern die Verteilung wird zeigen, wie sozial Infantinos Plan tatsächlich ist. Derzeit stellt Europa mit 13 Ländern 40 Prozent der WM-Teilnehmer, das sind fast ein Viertel der UEFA-Mitglieder. Der ebenfalls sehr mächtige südamerikanische Verband durfte bislang die Hälfte seiner Mitglieder zur WM schicken. Aus Afrika und Asien kamen immer nur rund zehn Prozent der Mitgliedsländer zum Turnier.

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