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Die lieben Kleinen
Mit dem Rennrad-Nerd die ersten 40 Kilometer auf der Straße
Wie praktisch, wenn man Kinder hat, denke ich mir an diesem Samstagvormittag, als ich in voller Rennrad-Montur auf der Terrasse stehe und noch einmal an meiner Teetasse nippe. Eine Nachtigall zwitschert, der Himmel leuchtet blau, beste Bedingungen für mein erstes Radtraining, und neben mir hockt mein Ältester und wechselt den Schlauch des Vorderreifens an jenem schmucken weißen Rennrad, mit dem ich mich gleich auf die 40-Kilometer-Runde raus nach Wandlitz und zurück machen will: ein Platten, gerade als ich das Rad aus dem Schuppen geschoben habe. »Lass mal, das repariere ich, so gehts schneller« sagt er.
Mein Sohn ist 31 und Rennrad-Nerd: Er besitzt zwei Vintage-Räder, ein Gravelbike und zwei Rennmaschinen, sie hängen in seiner Wohnung an der Wand, er radelt jede Woche dreistellige Kilometerzahlen bei seinen Ausfahrten ins Berliner Umland. Für meinen Triathlon-Plan hat er in Nullkommanix eine Ausrüstung für mich aus seinem Fundus zusammengestellt: Das schmucke Alu-Rad mit Carbon-Gabel. Klickpedalen. Rennradschuhe mit Carbonsohle. Dazu Helm, Rennradhose und Trikot, in Neupreisen gerechnet ist meine Ausrüstung fast 3000 Euro wert, erfahre ich. Das kann er einfach so verleihen? Wow.
Heute will er mich in die Finessen des Rennradelns einführen, bei einer gemeinsamen Ausfahrt. Doch erst mal muss ich mit ihm in eine Seitenstraße, ich soll lernen, wie man mit dem Carbonschuh ins Klickpedal kommt. Vor 28 Jahren habe ich ihm das Radfahren beigebracht und jetzt steht er grinsend am Rand, während ich derjenige bin, der Schlängellinien fährt – beim Versuch, endlich die Platte in das blöde Pedal einzuklicken: »Das Pedal andersrum!«, ruft er geduldig. »Mit der Spitze rein, dann runtertreten!«
nd-Redakteur Jirka Grahl probiert Neues, zum Auftakt Triathlon. 1500 m Schwimmen, 43 km Rad, 10 km Lauf. Am 14.9. ist Wettkampfpremiere: beim Fehmarn-Triathlon.
Nach 15 Minuten kann ich es halbwegs und er schärft mir ein, nie, wirklich nie zu vergessen, dass ich mich aus dem Pedal ausklinken muss, wenn ich zum Stehen komme. »Nie! Sonst fällst du um wie ein Baum!«, sagt er, dann winkt er ab: »Passiert aber vermutlich auch dir irgendwann mal. Passiert eigentlich jedem!« Na super! Wie hart, wenn man Kinder hat.
Auf dem Radweg stadtauswärts hantiere ich erst mal vorsichtig: Die Sitzposition ist extrem niedrig und jede Unebenheit ist als Schlag zu spüren, wenngleich man dank der fest fixierten Schuhe und des leichten Rades dennoch schnell unterwegs ist. Wann immer wir an eine rote Ampel rollen, erinnert mich mein Ältester, der hinter mir fährt, an die Pedale: »Ausklinken, Papa!«
Irgendwann sind wir auf der Landstraße und rollen. Der Wind kühlt das erhitzte Gesicht, der Wald ringsum ist ein grünes Flirren, das Bikers High ist da: Wie schön es ist, schnell zur radeln! An einem Anstieg verliere ich kurz das Hinterrad meines Sohnes, als der mir davonfährt, ohne es zu bemerken. Ich ächze.
Am Ende sind wir nach 41,65 Kilometern in 1:41:20 Stunden zurück – in dieser Zeit absolvieren Profis einen kompletten Triathlon, alle drei Disziplinen, oje! Bevor ich hadere, klopft mir schon mein Sohn auf die Schultern: »Die ganze Strecke durchgefahren, stark, Papa!« Wie gut, wenn man Kinder hat.
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