Gleimtunnel nach sieben Monaten wieder für Autos offen

Zuständigkeitsposse rund um die Brücken der ehemaligen Eisenbahnstrecke endete am Freitagnachmittag

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Ende war es eine entnervte Autofahrerin, die am Freitagnachmittag den Gleimtunnel wieder für den motorisierten Verkehr eröffnete, in dem sie die Absperrung beiseite räumte. Diesen historischen Moment fing ein Kameramann der Abendschau vom »rbb« gegen 16.30 Uhr am Freitag ein. Passender hätte der Abschluss einer monatelangen Zuständigkeitsposse Berliner Behörden rund um die Brücken der ehemaligen Eisenbahnstrecke zum einstigen Güterbahnhof an der Eberswalder Straße nicht ausgehen können.

Rückblende: Am 27. Juli 2016 sorgte ein Unwetter für eine meterhohe Überflutung der Straßenverbindung zwischen Prenzlauer Berg und Gesundbrunnen, schob dort geparkte Autos übereinander. Das Wasser hob auch die über 100 Jahre alten Brücken kurzzeitig aus ihrer Verankerung, sodass eine gutachterliche Überprüfung der Standfestigkeit des Bauwerks im Anschluss nötig wurde. Daraufhin entbrannte wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse ein monatelanger Streit darum, wer das Gutachten in Auftrag geben und bezahlen müsse. Im Spiel waren die Deutsche Bahn als ehemalige Betreiberin der Infrastruktur, die Groth-Gruppe, die für ein Bauprojekt einen Teil der Brücken als Baustellenzufahrt nutzt, die Bezirksämter Pankow und Mitte, auf deren Gebiet das Bauwerk liegt, sowie die Stadtentwicklungsverwaltung als übergeordnete Behörde für Verkehrsangelegenheiten.

Schließlich ging die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Vorleistung bei dem Gutachterhonorar. Zunächst wurde eine Wiedereröffnung für Oktober angekündigt, dann hieß es im November sei es soweit. Auch der nächste angepeilte Termin am 23. Dezember 2016 konnte nicht gehalten werden. Schuld war ein neues Zuständigkeitswirrwarr. Durchaus pragmatisch wurde nämlich die Zeit genutzt, um auf der Westseite der Brücken einen neuen Kreisverkehr anzulegen, um das entstehende Wohngebiet der Groth-Gruppe anzubinden, und so eine erneute Sperrung der vor allem im Berufsverkehr von Autofahrern rege genutzten Verbindung zu vermeiden. Im Anschluss entspann sich ein Streit zwischen der der Verkehrsverwaltung untergeordneten Verkehrslenkung Berlin (VLB) und dem Bezirksamt Mitte, wer für die Abnahme des Kreisels zuständig ist.

Am Freitag »gegen Mittag« sollte es schließlich so weit sein, war auf der Seite der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) zu lesen. Diese Einrichtung, eine Tochter des Siemens-Konzerns informiert im Auftrag der Verkehrsverwaltung die Öffentlichkeit unter anderem über Staus und Baustellen auf dem Straßennetz der Hauptstadt.

Ein Kollege versuchte am Freitag schließlich, den Eröffnungszeitpunkt in Erfahrung zu bringen. So genau wisse man es nicht, aber gegen 10 Uhr vormittags solle es so weit sein, diese Information gab zunächst die Pressestelle des Bezirksamts Pankow. Aber eigentlich habe man mit der Sache nichts mehr zu tun. Um diese Uhrzeit erklärte der neue Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn (LINKE) im Sender »RadioEins« vom »rbb«, dass der Tunnel erst nach dem Wochenende geöffnet werden solle, so zumindest sein Informationsstand. Bei der Verkehrsverwaltung verwies man an das Bezirksamt Mitte. Dort hieß es wiederum, dass um 16 Uhr die Absperrungen fallen sollen. Wegen möglicher anwesender Politprominenz solle man sich jedoch an die Senatsverwaltung wenden, die sich jedoch gerade vorher für nicht zuständig erklärt hatte. Schließlich verwies man in Mitte noch auf die Verkehrslenkung Berlin (VLB). Das Auskunftsbegehren dort unterließ der Kollege letztendlich. Auch Journalisten sind nur Menschen.

Vor einigen Tagen sprach der neue Verkehrsstadtrat in der Senatsverwaltung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), über seine Idee, den parallel zur nördlichen Ringbahn führenden Straßenzug zu einer Fahrradstraße umzuwidmen. Für sinnvoll hält das der Pankower Bürgermeister Benn allerdings erst, wenn auf der Straße Parkplätze verschwinden, um mehr Platz zu schaffen. Die nächste Diskussion ist eröffnet.

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