Gewalt gestiegen, Programm erweitert

2016 meldeten Schulen mehr Gewaltfälle - Grund ist laut Bildungssenatorin die Sensibilisierung für das Thema

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahlen sind erschütternd. Die von den Schulen gemeldeten Gewalttaten zwischen 2010 und 2016 sind teils massiv gestiegen. Gerade bei den Gewalttaten des sogenannten Gefährdungsgrads I - Beleidigungen, Drohungen, Tätlichkeiten und Mobbing - kam es zu einem exponentiellen Anstieg. Wurden im Schuljahr 2014/15 noch 1758 Fälle gemeldet, waren es ein Jahr später bereits 2371 Fälle.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erklärte dies am Dienstag mit einer höheren Sensibilisierung für das Thema - nicht zuletzt aufgrund des von ihr erweiterten Meldesystems. »Dass wir höhere Zahlen haben, hat damit zu tun, dass das Instrument anerkannt wird und die Schulen keine Angst mehr davor haben, stigmatisiert zu werden.« Auch sagte sie: »Es gibt viele Schulen, die nicht melden, weil sie keine Probleme haben.«

Christian Gaebler (SPD), Sport-Staatssekretär und Vorsitzender der Landeskommission Berlin gegen Gewalt, bestätigte diese Deutung: »Es gibt mehr Meldungen. Das schlägt sich aber nicht in der Polizeistatistik wieder. Die Zahlen, die strafrechtlich relevant sind, sind rückläufig.«

Konkret beschloss der Senat, Beratungszentren einzurichten, in denen Schulpsychologen die Schulen in der Gewaltproblematik unterstützen. Die sogenannten SIBUZ sollen auch Fortbildungen zu Gewaltprävention anbieten. Zuerst diese nahmen Zentren 2013 ihre Arbeit auf. Nun sollen die Experten laut Scheeres »in einem Haus zusammenarbeiten«.

Zudem will Scheeres Krisenteams, die es bisher an jeder zweiten Schule gibt, ins Schulgesetz aufnehmen. Die Teams hätten sich nach dem Terror-Anschlag von Nizza bewährt, bei dem auch Berliner Schüler zu Tode kamen.

Für diese Maßnahmen wird das Anti-Gewalt-Programm noch vor dem ersten rot-rot-grünen Haushalt um 200 000 Euro aufgestockt. Das Geld soll für Gewalt- und Mobbing-Prävention, soziales Lernen und Mediation ausgegeben werden. Außerdem soll die Schulsozialarbeit ausgeweitet werden - »bis wir irgendwann an allen Schulen Sozialarbeiter haben«, so Scheeres.

Das bisherige Meldesystem wird evaluiert. Schulen hatten kritisiert, dass die Fragen zu detailliert sind. »Das wird als Belastung empfunden«, sagte Scheeres. Sie selbst finde es fragwürdig, dass die Meldekategorien an jene des »Notfallplan-Ordners« für Schulen gekoppelt sind, der in Krisensituationen Hilfe leisten soll. So werden auch Suizide und elterliche Gewalt gemeldet - mit Gewalt an der Schule hat dies nicht zwingend zu tun. »Auch die Todesfälle von Nizza fallen unter die Gewaltzahlen. Das finde ich fachlich bedenklich«, sagte Scheeres. Zudem komme es zu Mehrfachmeldungen. »Da geben zehn Lehrer Meldungen auf ein Kind ab.« Hier wolle sie »stärkere Transparenz« schaffen.

Im Fokus der Bemühungen stehen laut Scheeres auch »Schwellentäter, die uns entgleiten«. Diese sollen ab dem zehnten Lebensjahr individuell und intensiv betreut werden. Dafür wurden die Gelder 2015/16 verdoppelt. Auch die besondere Situation von minderjährigen Geflüchteten soll stärker in den Blick genommen werden: »Wir haben eine kleine Gruppe junger Flüchtlingsmänner, die ähnliche Probleme mitbringen«, sagte Scheeres. Hier erarbeite sie mit dem Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ein Konzept, dessen Umsetzung zwischen 800 000 Euro und 1,2 Millionen Euro kosten werde.

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