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Sorbischlehrer aus Senftenberg
Technische Universität will Studiengang für Grundschulpädagogen im Wintersemester 2026/27 starten
»Die niedersorbische Sprache hat in Brandenburg immer noch eine Imageproblem«, weiß das in Cottbus angesiedelte Regionalbüro des sorbischen Dachverbands Domowina. Abgesehen von Wahlinformationen in Amtsblättern, Straßennamen und ein paar weiteren Beschriftungen sei eine Zweisprachigkeit in der Niederlausitz kaum wahrnehmbar.
Etwa 60 000 Sorben siedeln in der Lausitz, davon zwei Drittel in der sächsischen Oberlausitz, wo Sprache und Kultur der slawischen Minderheit insbesondere in sieben katholischen Dörfern noch recht lebendig sind, und ein Drittel in der brandenburgischen Niederlausitz. Ihre niedersorbische Sprache ähnelt dem Polnischen, während Obersorbisch dem Tschechischen näher ist. Das Niedersorbische zu bewahren und zu revitalisieren, ist keine einfache Aufgabe. Spracherwerb in Kitas und Unterricht in den Schulen sind der Schlüssel dazu.
In dieser Hinsicht gebe es Gutes und Schlechtes zu berichten, sagt am Mittwoch Delia Münchowa im Rady za nastupnosći Serbow, dem Rat für die Angelegenheiten der Sorben im Landtag. Bei dessen Sitzung erläutert Münchowa, dass Schulen in Vetschau, Straupitz und Drebkau wieder Lehrkräfte für den Niedersorbisch-Unterricht haben, auch das Oberstufenzentrum in Cottbus. Das gehört zu den guten Nachrichten. In Lieberose gebe es wegen einer Versetzung der Lehrkraft aber leider keinen Sorbischunterricht mehr, berichtet Münchowa. Seit 2021 bestehe die Möglichkeit, Seiteneinsteiger für den Sprachunterricht zu qualifizieren. Sieben von acht Teilnehmern einer solchen Weiterbildung seien auch schon im Einsatz.
»Nur wenn wir heute handeln, wird das Niedersorbische morgen noch gesprochen – in den Kitas, Schulen, Vereinen und Familien.«
Julian Brüning CDU-Landtagsabgeordneter
Vom Wintersemester 2026/27 an will und soll die Technische Universität Cottbus-Senftenberg in Senftenberg Grundschulpädagogen für das Fach Niedersorbisch ausbilden. Sorbischlehrer bildet traditionell die Universität Leipzig aus, an der es dafür seit 1951 ein eigenes Institut gibt. In Leipzig reichen die Anfänge bis ins Jahr 1716 zurück, als an der Universität ein Seminar für sorbische Prediger eingerichtet wurde.
Doch bei der Ausbildung der Grundschullehrer auf die Universität Leipzig zu setzen, hält Brandenburgs Sorbenbeauftragter Tobias Dünow (SPD) für wenig aussichtsreich. »Es lohnt sich wahrscheinlich nicht, darauf zu warten«, erklärt Staatssekretär Dünow am Dienstag in der Ratssitzung. »Wir sind noch nicht unterschriftsreif. Aber wir sind gut vorangekommen«, sagt er mit Blick auf die Pläne für Senftenberg.
»Die niedersorbische Sprache, Kultur und Identität sind ein unverzichtbarer Teil Brandenburgs«, betont ebenfalls am Dienstag der Landtagsabgeordnete Julian Brüning (CDU). Seine oppositionelle CDU-Fraktion bringt gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen SPD und BSW ein Maßnahmepaket auf den Weg.
Das Niedersorbische sei akut gefährdet, sagt Brüning. »Nur wenn wir heute handeln, wird das Niedersorbische morgen noch gesprochen – in den Kitas, Schulen, Vereinen und Familien. Wir sorgen dafür, dass die dafür nötigen Studienangebote zügig eingerichtet und dauerhaft gesichert werden.«
In dieser Frage sind sich CDU und BSW einig. »Diese Entscheidung ist ein wichtiger Schritt für die Niederlausitz und wird es uns ermöglichen, endlich wieder vor Ort qualifizierte Lehrkräfte auszubilden«, ist der BSW-Abgeordnete Falk Peschel überzeugt. Als Sorbenbeauftragtem der Stadt Senftenberg ist Peschel »die Stärkung der niedersorbischen Sprache und Kultur ein besonderes Anliegen«, wie er sagt.
Gleichzeitig behalten Brüning und Peschel die Stiftung für das sorbische Volk im Auge. Sie wird durch den Bund und die Länder Sachsen und Brandenburg finanziert, die in den Jahren 2021 bis 2025 zusammen 23,9 Millionen Euro für diesen Zweck aufgebracht haben. Ende des Jahres läuft das diesbezügliche Abkommen aus. »Ohne ein neues Abkommen drohen Finanzierungslücken – etwa durch Inflation, gestiegene Kosten und wachsenden Förderbedarf«, wirbt der Landtagsabgeordnete Brüning für eine bedarfsgerechte Ausstattung der Stiftung. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer (CDU) haben dem Bund in dieser Sache einen Brief geschrieben.
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»Wir werden sehen, wie erfolgreich das Schreiben ist«, meint der Sorben-Beauftragte Dünow. Im Fall der Fälle wären noch weitere Lobbymaßnahmen denkbar, zum Beispiel eine Veranstaltung in der brandenburgischen oder sächsischen Landesvertretung in Berlin. Doch womöglich ist dies gar nicht mehr erforderlich. Denn Dünow verrät: »Da gibt es weniger unerfreuliche Signale, als man mit Blick auf die Zeitungslektüre und die allgemeine Haushaltslage befürchten könnte.«
Der Landtagsabgeordnete Lars Katzmarek (SPD) lobt das bewährte Witaj-Konzept. Witaj heißt willkommen. Das Konzept ermöglicht Kindern in Kindertagesstätten und Grundschulen einen spielerischen Zugang zur sorbischen Sprache. In der Witaj-Kita »Villa Kunterbunt« in Cottbus sind zurzeit noch Plätze frei.
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