Keine Brücke zu regulären Jobs

DGB legt Konzept zur Neuregelung von geringfügiger Beschäftigung vor

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie geht es weiter mit den Minjobs? Ginge es nach dem Willen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) dann im besten Falle gar nicht. Auf einer Tagung in Berlin, legte der DGB am Mittwoch Vorschläge vor, wie Anreize für die 450-Euro-Jobs abgebaut werden können. Annelie Buntenbach, Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Vorstandes, erklärte bei der Präsentation des Reformkonzepts, man akzeptiere »keine Arbeitsverhältnisse, die Menschen als Beschäftigte zweiter Klasse abstempeln und sie letztendlich in die berufliche Sackgasse und die Altersarmut führen«.

Kernstück des Konzepts ist die vollständige Einbeziehung der Minijobs in die Sozialversicherung (SV). Bislang entrichten Unternehmer für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse mit einer Entlohnung bis zu 450 Euro lediglich eine Pauschalabgabe für Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie Steuern. Laut dem Modell sollen sie nun in der Eingangsstufe bis 150 Euro zunächst alle SV-Beiträge in Höhe von 42 Prozent der Bruttolohnsumme entrichten. Bei darüber hinaus gehenden Entlohnungen werden auch die Beschäftigten beteiligt. Die Eingangsstufe läge bei drei Prozent und stiege dann linear, bis bei einem Lohn von 850 Euro die volle Parität erreicht wird, also 21 Prozent des Bruttolohns. Ausnahmen soll es für spezielle Gruppen von Minijobbern geben, unter anderem für Rentner, Studenten, Übungsleiter in Sportvereinen und bei Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige. Bei Dienstleistungen in Privathaushalten sollen ferner »Anreize« geschaffen werden, um die dort besonders weit verbreitete Schwarzarbeit zurückzudrängen. So könnten die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge bis zu einer bestimmten Höhe aus Steuermitteln erstattet werden. Die Besteuerung soll künftig in allen Fällen nicht mehr pauschal erfolgen, die Löhne wären dann Bestandteil der jeweils individuell zu versteuernden Gesamteinkünfte.

Minijobs als eigenständige Form der Beschäftigung wurden 2003 im Rahmen der »Hartz-Reformen« eingeführt. Damit sollte eine »Brücke zu regulärer Beschäftigung« geschaffen werden, hieß es seinerzeit zur Begründung. Davon kann allerdings keine Rede sein. Vielmehr nutzen viele Branchen die Möglichkeiten, um reguläre Teilzeit- und Vollzeitstellen durch Minijobs zu ersetzen. Derzeit gibt es rund 7,7 Millionen solcher Jobs. Das betrifft besonders den Einzelhandel, das Gastgewerbe und Sicherheitsdienste, aber auch zunehmend Sozial- und Pflegedienstleistungen. Laut der Bundesagentur für Arbeit waren 2014 für 3,1 Millionen geringfügig Beschäftigte im »klassischen Erwerbsalter« (25-64 Jahre) Minijobs die ausschließliche Erwerbsform, davon rund 2,5 Millionen mit einer anerkannten beruflichen Qualifikation oder einem Hochschulabschluss. Beschäftigt werden sie größtenteils in un- oder angelernten Helfertätigkeiten und haben dabei kaum eine Chance, in eine reguläre, qualifizierte Beschäftigung »aufzusteigen«.

Mit dem Reformkonzept sollen Minijobs für Arbeitgeber unattraktiv werden. Durch die stärkere Abgabenbelastung geringfügiger Beschäftigung entfiele der Anreiz, das Arbeitsvolumen in viele 450-Euro-Jobs zu zerstückeln. Allerdings würde dies auch für viele Minijobber zu Einbußen führen, da sie selbst Abgaben zahlen müssten, räumte Buntenbach ein. Dies würde aber durch die Vorteile einer Neuregelung - reguläre Arbeitsverhältnisse und individuelle Rentenansprüche - aufgewogen.

Auf der abschließenden Podiumsdiskussion äußerten sich Fachpolitikerinnen der im Bundstag vertretenen Parteien zu den Plänen. Sabine Weiss, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundesfraktion, räumte zwar ein, dass es »Nachjustierungsbedarf« bei den Minijobs gebe, lehnt eine weitgehende Abschaffung aber ab. Sie plädierte für »Wahlmöglichkeiten«, da man den Bürger nicht mit starren Regelungen »bevormunden« wolle. Zudem würden »mehr Bürokratie« und eventuelle Einbußen den besonders bei den privaten Haushaltsdienstleistungen verbreiteten Trend zur Schwarzarbeit weiter verstärken.

Auch Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, äußerte sich skeptisch. Zwar seien Minijobs arbeitsmarktpolitisch »die Krätze«, doch aus vielen Gesprächen im vergangenen Wahlkampf wisse sie, »dass ein großer Teil der Minijobber die bisherigen Regelungen gut findet«. Auch sie warnte vor mehr Schwarzarbeit, da in vielen Bereichen gar keine regulären Jobs existierten.

Unterstützung kam dagegen von der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Carola Reimann. Wichtig sei vor allem die vom DGB als flankierende Maßnahme geforderte Änderung im Steuerrecht, die die Benachteiligung besonders »zuverdienender« Frauen gegenüber »hauptverdienenden« Männern beseitigen würde. Klar ist die Sache für die gewerkschaftspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Jutta Krellmann. Minijobs und die dazugehörenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schlupflöcher gehörten »abgeschafft«. Das müsse auch für haushaltsnahe Dienstleistungen gelten, so Krellmann, die damit über das DGB-Konzept hinausging.

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