US-Gesetz: Die Armen zahlen die Zeche

Kongress verabschiedet in Washington Steuergeschenke für die Reichen

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 4 Min.
Kampfansage an die Geselllschaft: Das Friedensdenkmal ist vor der Kuppel des US-Kapitols am 29. Juni 2025 zu sehen, während US-Präsident Donald Trumps Big Beautiful Bill den Senat passiert.
Kampfansage an die Geselllschaft: Das Friedensdenkmal ist vor der Kuppel des US-Kapitols am 29. Juni 2025 zu sehen, während US-Präsident Donald Trumps Big Beautiful Bill den Senat passiert.

Trumps neues billionenschweres Haushaltsgesetz, das gerade mit äußerst knappen Mehrheiten vom Kongress verabschiedet wurde, ist ohne jedes Beispiel in der US-Geschichte. Noch nie wurde eine so massive Entlastung der bessergestellten Steuerzahler zusammen mit derartigen Einschnitten bei der Finanzierung der Gesundheitsvorsorge und der Ernährung der Armen auf den Weg gebracht. Wegen dieses eklatanten Gegensatzes scheuten sich selbst republikanische Kongressmitglieder, einem Gesetz zuzustimmen, das für viele ihrer Wähler eine Zumutung darstellt. Am Ende kam das Gesetz doch durch: Im Senat mit einer Stimme Vorsprung – Vizepräsident J. D. Vance musste eine Stimme als Tiebreaker abgeben –, und im Abgeordnetenhaus mit vier Stimmen Vorsprung.

Auf fast 1000 Seiten werden die Details des Gesetzes ausgebreitet: Es enthält Geschenke, vor allem die Fortsetzung der mehr als 2 Billionen Dollar Steuererleichterungen des Jahres 2017. Zusätzlich gibt es 175 Milliarden Dollar für den Grenzschutz und 150 Milliarden Dollar für die nationale Verteidigung. Ferner bestimmt das Gesetz eine befristete Steuerfreiheit für Trinkgelder und Überstunden, angeregt laut Trump von einer jungen Kellnerin in Nevada, die ihn davon überzeugt habe.

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Den Ausgabenerhöhungen stehen Einsparungen entgegen. Mit Kürzungen wird der Staat versuchen, die Steuergeschenke für die Reichen einzuspielen. Für die öffentlich finanzierte Krankenversicherung, Medicare und Medicaid, gibt es 1,1 Billionen Dollar weniger für arme und alte US-Amerikaner. 70 Millionen Menschen sind gegenwärtig durch diese staatlichen Programme versichert, und es wird geschätzt, dass rund 12 Millionen davon wegen der Sparmaßnahmen ihre Krankenversicherung verlieren werden. Hinzu kommen Kürzungen bei Lebensmittelhilfen, etwa Schulessen und Essenshilfen für Arme und Kinder. Das Lebensmittelhilfe-Programm der Bundesregierung SNAP soll ein Drittel seiner Mittel gestrichen bekommen.

Der Widerstand gegen das Gesetz im Kongress, den auch einige Republikaner in beiden Häusern leisteten, spiegelt den Widerstand in der Bevölkerung wider. Eine Quinnipiac-Umfrage berichtet, dass 55 Prozent der US-Amerikaner das Haushaltsgesetz ablehnen, nur 29 Prozent finden es richtig. Trump stellte deswegen bereits am Donnerstag seine Kampagne für eine Akzeptanz seiner Politik bei der Agrarmesse in Iowa vor, wo er die Wachstumsförderung seines Vorhabens anpries. Trump will, dass das Volk weiter glaubt, dass die Ungleichheit des Landes durch noch mehr Ungleichheit aufgelöst werden könnte, so nach dem Motto: Steigendes Wasser hebt alle Boote.

Doch in den vergangenen Wochen wurde gut dokumentiert, wie konservative Republikaner sich Sorgen machen, was steigendes Wasser auch bedeuten kann: steigende Schulden. Kongressabgeordnete wie Chip Roy aus Texas haben versucht, eine Koppelung zwischen Steuergeschenken und Kostensenkungen festzuschreiben, damit es ein Nullsummenspiel wird. Was der US-Staat weniger an Steuern einnimmt, muss auf jeden Fall irgendwo eingespart werden. Denn auch dieser Aspekt des Gesetzes ist ohne Beispiel: Im Unterschied zur Staatsverschuldung der Finanzkrise im Jahr 2008 oder während der Pandemie besteht aktuell keine akute Krise, die diese Neuverschuldung begründet. Der Senat hat aber die Vorschläge von Kritikern wie Chip Roy abgelehnt, so dass diese Gesetzgebung doch auf Neuverschuldung hinausläuft.

Kritiker wie Ken Rogoff von der Harvard Universität warnen, dass damit jeglicher Spielraum für echte Krisen verspielt sei.

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Nach Einschätzung des Congressional Budget Office wird das Gesetz die Staatsverschuldung bis zum Jahr 2034 um 3,3 Billionen Dollar erhöhen. Kritiker wie Ken Rogoff von der Harvard Universität warnen, dass damit jeglicher Spielraum für echte Krisen verspielt sei. Trumps Leiter des Haushaltsbüros, Russell Vought, widerspricht den Zahlen seiner Kollegen im Kongress vehement und behauptet, dass stattdessen die Staatsschulden in den nächsten zehn Jahren um 1,4 Billionen Dollar sinken würden. Vought war für das libertäre »Project 2025« federführend; darin wird als zentrale Aufgabe für Trumps zweite Amtsperiode der konsequente Abbau des Staates gefordert. Nach der Zeitschrift »Politico« hat Vought konservative Politiker wie Chip Roy in den letzten Tagen überzeugt, doch für das Gesetz zu stimmen.

Die Demokratische Partei hofft, dass die große Unpopularität dieses regressiven Haushaltsgesetzes ihnen bei den Kongresswahlen Ende nächsten Jahres Erfolge bringen könnte. In ihren Augen hat Trump eine libertäre, altrepublikanische Politik für seine breite Wählerschaft gemacht. Die Arbeiter und Armen, die er in den vergangenen Jahren als Wähler dazu gewonnen hat, könnte er folglich wieder verlieren, und damit vielleicht sogar die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses. Doch die Republikaner sehen die Lage anders. Sie setzen nicht nur auf ein Wachstum, sondern auf eine Entsolidarisierung. Ein Land, wo die Starken aller Klassen sich zutrauen, selbst in einem immer mehr darwinistisch geprägten Land durchzukommen.

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