Antirassismus ist gerade nicht hip genug

Proteste der deutschen Linken gegen Abschiebungen nach Kabul könnten breiter aufgestellt sein

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Als am 14. Dezember ein erster Charterflug mit 34 abgelehnten Asylbewerbern aus Afghanistan an Bord nach Kabul abhob, zogen Hunderte über den Frankfurter Flughafen und skandierten Parolen wie »Abschiebung ist Folter – Abschiebung ist Mord«. Ihre Empörung über die Rückführungen war groß.

Seit die EU im Oktober ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan geschlossen hatte, ist die Angst unter den Afghanen groß, bald selbst von Abschiebungen betroffen zu sein. Immer wieder gingen sie daraufhin gemeinsam mit Antirassisten auf die Straße, um gegen das Abkommen und drohende Abschiebungen zu demonstrieren. In Düsseldorf waren Ende November über 500 Menschen einem Aufruf der Gruppe »Nedaje Afghan – Afghanischer Aufschrei« gefolgt. Redner klagten die Abschiebepläne scharf an. Das Land sei nicht sicher, weshalb die Bundesregierung ihre Entscheidung überdenken solle. Auch in anderen Städten gab es Proteste gegen die geplanten Abschiebungen. In Berlin gingen wenige Tage vor dem ersten Abschiebeflug 1500 Menschen auf die Straße, in Bremen zählte die Polizei 750 Teilnehmer, darunter viele Afghanen.

In einigen Landesparlamenten sorgte der Abschiebeflug für Trubel. In Düsseldorf erklärte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Monika Düker, den Rücktritt von ihrem Amt. In Hamburg protestierte die Linksfraktion in der Bürgerschaft mit dem stillen Hochalten von Schildern mit der Aufschrift »Stoppt die Abschiebungen nach Afghanistan!«.

Die Demonstrationen gegen indes weiter. Ein Zentrum des Protestes ist Frankfurt, die Stadt mit Deutschlands zentralem Abschiebeflughafen. Am ersten Januarwochenende gingen dort etwa 1500 Menschen auf die Straße. Eine wichtige Rolle beim Protest spielt hier der Zentralrat afghanischer Hindus und Sikhs. Sanjay Kapur vom Zentralrat spricht über insbesondere über die Lage von Minderheiten in Afghanistan. Der afghanischen Regierung sei ihr Schutz kein Anliegen. Folglich seien sie Verfolgungen ausgesetzt, müssten sich teilweise verstecken.

Auch deutsche Antirassisten protestierten in Frankfurt. Einer von ihnen war der im Rheinland lebende Christian Meier*. Die Demo in Frankfurt sei wichtig gewesen, sagt er, weil unterschiedliche Menschen zusammengekommen seien. Insgesamt hält er die Situation aber für schwierig. Nur in wenigen Städten stünden politische Gruppen kontinuierlich im Austausch mit Geflüchteten, bemängelt er. »Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Antira gerade nicht hip ist.«, sagt der Endzwanziger. In der linken Szene gäbe es immer Wellenbewegungen, welche Themen die Menschen gerade interessieren. Die positive Stimmung des Herbstes 2015 sei nach der Silvesternacht in Köln abgeebbt, glaubt er. Viel Unterstützung sei danach »verloren gegangen« und einige der verbliebenen Aktivisten seien nun einfach »ausgebrannt«.

Trotz dieser pessimistischen Einschätzung ist Meier sich aber sicher, dass auch die nächsten Abschiebungen von Protesten begleitet werden. Es gäbe positive Zeichen, dass man sich breiter aufstellen könne. In Teilen der Kirchen gebe es eine starke Ablehnung der Abschiebungen, bei Gewerkschaften sei dies auch so.

*Name geändert

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