Der dritte Pädagoge

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Begriff »dritter Erzieher« kommt aus der Reggio-Pädagogik und bezeichnet den Raum, in dem Kinder sich aufhalten, in dem sie spielen, sich bewegen, zurückziehen oder lernen. Er soll sowohl »Geborgenheit« wie »Herausforderungen« vermitteln (sowiport.gesis.org).

Reggio-Pädagogik selbst ist ein relativ junger Zweig der Reformpädagogik, die Anfang der 1970er Jahre von dem Pädagogen Loris Malaquzzi und den kommunalen Kitas der italienischen Industriestadt Reggio nell’Emilia gemeinsam entwickelt wurde. In deren Selbstverständnis ist Pädagogik eine Aufgabe der ganzen Gemeinschaft (Stadt, Dorf, Kommune).

Laut dem Fachkräfte-Portal »kindergartenpaedagogik.de« basiert das Konzept der Reggio-Pädagogik auf einer Kombination jüngerer lerntheoretischer Ansätze mit dem Bild des kompetenten, wertgeschätzten Kindes. »Im Zentrum des Bildungs- und Lernkonzepts stehe die wechselseitige Durchdringung von Wahrnehmung, Beziehungsaufbau, Kommunikation, gegenständlicher Produktion (Gestaltung) und Dokumentation, die dem Lernenden bedeutungsvoll sind.« Erziehung bestehe im Bewahren von Stärke, Mächtigkeit und Reichtum der Kinder. Dabei spiele der Raum eine besondere Rolle. Er stehe für Geborgenheit, in der sich das Kind zu sich und anderen in Beziehung setze, und für Herausforderungen, durch die es stimuliert werde. Dabei beziehe sich der pädagogische Raum nicht allein auf die Einrichtung selbst, sondern auch das gesamte von Kindern »fußläufig erschließbare Umfeld«.

Entsprechend zeichnet sich die Architektur der meisten Kitas von Reggio als eine zur Stadt geöffnete aus. Zum Beispiel durch »tief heruntergezogene Fenster«. Die Einrichtungen selbst sollen zum »interaktiven, dialogischen« Miteinander anregen. Sie sind getragen von einer Atmosphäre des »Wohlbefindens« und der »Kommunikation« sowie von Materialien, von denen »Impulse« für Aktivitäten ausgehen. Dabei werden fünf Punkte hervorgehoben: »räumliche Vielgestaltigkeit innerhalb der Einrichtung, klare, aber nicht starre Funktionen, Offenheit und Transparenz, ästhetische Objekte und Materialienvielfalt sowie die Mitgestaltung der Kinder«. Es geht den Initiatoren dieser Pädagogik um eine Art Raumnarrativ. Erst Räume, die etwas erzählen, sind lebendig.

Die pädagogische Bedeutung von Räumen findet man auch in der Montessori- und Waldorf-Pädagogik. 2004 veröffentlichte das Netzwerk »Archiv der Zukunft« des Erziehungswissenschaftlers Reinhard Kahl den Film zur Pädagogik »Treibhäuser der Zukunft«. In ihm wird fantasievoll die (Mit-)Gestaltung von Räumen und Umfeld praktiziert. In einem Ausschnitt des »Der Raum ist der dritte Pädagoge« auf youtube spricht Kahl davon, dass Kinder Denker seien, weil sie lernen, und weil sie denken, brauchen sie Labore. Beispielhaft wird in diesem Film gezeigt, wie ein Schulgebäudes durch vier Klassen umfassende Lernhäuser ersetzt wurde, die sich alle zum naturbelassenen Schulgelände hin öffnen. Lena Tietgen

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