Grüne, LINKE und Jusos fordern von Schulz klare Standpunkte

Wagenknecht: Schulz beklagt selbstverschuldete Politik / Grünen-Chefin bescheinigte Kanzlerkandidaten einen »blinden Fleck« bei ökologischen Themen

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Grüne, LINKE und die Jusos fordern vom frisch gekürten Kanzlerkandidaten Martin Schulz klare Standpunkten in der Sozial- und Bildungspolitik sowie beim Klimaschutz. Wichtig seien etwa eine faire Entlohnung von Azubis, mehr Wohnraum für Geringverdienende und Investitionen in Bildung, sagte die Chefin des SPD-Nachwuchses. Die Grünen als möglicher Regierungspartner der SPD mahnten, Schulz dürfe den Kampf gegen die fortschreitende Klimakatastrophe nicht ignorieren.

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht kritisierte, mehr soziale Gerechtigkeit habe die SPD bisher vor jeder Wahl versprochen. »Ergebnis ihrer Politik dagegen sind die Zustände, die Martin Schulz jetzt zu recht beklagt«, sagte sie. Wenn Schulz glaubwürdiger sein wolle als seine Vorgänger, müsse die SPD die derzeit noch vorhandene rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag nutzen, etwa um die Renten zu erhöhen oder die paritätische Finanzierung der Krankenkassen wiederherzustellen.

Schulz war am Sonntag als Kanzlerkandidat nominiert worden. Anschließend skizzierte er in einer Rede, wohin er die Partei steuern will. Innenpolitisch blieb der künftige SPD-Chef dabei vage. Umwelt- und Klimaschutz erwähnte er zwar kurz, äußerte sich aber nicht im Detail zu Grünen-Kernthemen wie Kohleausstieg oder dem Abbau klimaschädlicher Investitionen.

Uekermann betonte, die SPD brauche ein klares Profil. Soziale Gerechtigkeit sei mit der Union nicht zu machen. »Daher muss Schulz einer Neuauflage der großen Koalition konsequenterweise eine deutliche Absage erteilen.«

Eine Koalition der SPD mit Grünen und LINKEN ist nach aktuellen Umfragen die wahrscheinlichste Möglichkeit für Schulz, Bundeskanzler zu werden. Eine Stimmenmehrheit hat das Bündnis aber nicht.

Die SPD geht nach Schulz’ Worten ohne Koalitionsaussage in die Wahl. Zu Rot-Rot-Grün oder einer Ampel wollte er sich im ZDF nicht äußern. In der ARD-Show »Anne Will« wies der frühere EU-Parlamentspräsident Kritik zurück, ihm fehle es an Regierungserfahrung. »Das Schicksal teile ich mit Barack Obama. Der hatte auch keine Regierungserfahrung, als er Präsident der Vereinigten Staaten wurde.«

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der »Passauer Neuen Presse« (Montag), zum Ziel, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus dem Amt zu drängen: »Wer 30 Prozent erreicht, hat die Chance auf das Kanzleramt. Das ist unser Ziel.« Er äußerte sich erfreut, dass die SPD in Umfragen derzeit enorm zulege. Der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz setzt wie Schulz ebenfalls auf Sieg. »Wir haben das ehrliche Ziel, stärkste Partei zu werden und Martin Schulz zum Bundeskanzler zu machen. Und alle merken: Das könnte gelingen«, sagte er in der ARD.

Grünen-Chefin Simone Peter bescheinigte Schulz einen »blinden Fleck« bei ökologischen Themen. Es sei gut, dass der ehemalige EU-Parlamentspräsident Gerechtigkeit und den Kampf gegen Hetze zu zentralen Themen der SPD machen wolle, sagte Peter. Aber wer »den drängenden Kampf gegen die fortschreitende Klimakatastrophe« ebenso ignoriere wie sozial-ökologische Fragen der Globalisierung, »der hat das Prinzip Verantwortung nicht verstanden.«

Auch Co-Chef Cem Özdemir vermisst konkrete Aussagen zu den Themen Klimaschutz und Energie in der ersten Rede von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. »Schulz hängt in der Retro-Schleife«, kritisierte Özdemir der »Neuen Osnabrücker Zeitung« vom Montag. Zukunftsfähigkeit bedeute auch Kohleausstieg und die Förderung alternativer Innovationen. Es sei gut, dass Schulz den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stelle, sagte Özdemir dem Blatt weiter. »Aber unsere Zukunft in Deutschland und Europa hängt ganz zentral an der ökologischen Modernisierung der Wirtschaft«, mahnte der Grünen-Chef.

Kritik kam auch von der FDP, die auf einen Einzug in den Bundestag hofft. »Herr Schulz hat eine lange Liste neuer Ausgabenwünsche vorgelegt, aber wenig zum Erwirtschaften unseres Wohlstands gesagt«, sagte der Vorsitzende Christian Lindner der »Welt«. »Wenn das die Richtung ist, in die er Deutschland steuern will, dann halte ich eine Kanzlerschaft weder für mehrheitsfähig noch wünschenswert.«

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die mit einer Ampelkoalition regiert, sagte dem »Handelsblatt« dagegen: »Ich kann das Modell von SPD, Grünen und FDP nur empfehlen - auch für den Bund. Wir sind glückliche Partner.« Agenturen/nd

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