Versöhnungstandaradei

»Kundschafter des Friedens« - eine Ost-West-Kinokomödie in Zeiten der Zerstörung des Wissenschaftlers Andrej Holm

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 4 Min.

Bald ist es zehn Jahre her, dass die »Initiativgruppe ›Kundschafter des Friedens‹ fordern Recht (IKF) e.V.« sich an den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler (CDU) wandte, weil sie die »Diffamierung der DDR-Aufklärungsdienste« und die »bisherige Verfolgungspraxis« gegen frühere Agenten beendet sehen wollte. Köhler reagierte ungehalten und teilte mit, die Urteile gegen ehemalige Auslandsspione der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) würden »dem Rechtsstaat des Grundgesetzes ein vorzügliches Zeugnis« ausstellen. Die Tageszeitung »Die Welt«, ein Qualitätsmediumsimitat des Springer-Konzerns, beschimpfte die aufmuckenden Altvorderen damals als »verstockte Überzeugungstäter aus einer Schnüffelorganisation«. So weit, so erwartbar.

Am vergangenen Donnerstag nun startete im Kino eine deutsche Komödie mit dem Titel »Kundschafter des Friedens«. Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Winfried Glatzeder und Thomas Thieme dürfen darin als abgehalfterte Ex-DDR-Auslandsgeheimdienstler dem BND aus der Bredouille helfen. In Katschekistan geht dem Agenten Kern (Jürgen Prochnow) bei einem Einsatz der zukünftige Präsident des Landes verloren. Da sich in der früheren Sowjetrepublik kaum jemand so gut auskennt wie die als sympathische Zonenzottel dargestellten Greise, übergibt die strebsame BND-Agentin Paula (Antje Traue) ihnen widerwillig das Kommando.

Und Springers »Welt« freut sich: »In ›Kundschafter des Friedens‹ dürfen wir, die Deutschen von 2017 unter einer Kanzlerin und einem Präsidenten aus der DDR, nun auch über die Stasi lachen.« Berufsopportunisten wie Angela Merkel und Joachim Gauck zu Symbolen einer angeblichen Ost-West-Versöhnung zu stilisieren, das ist jetzt auch nicht wirklich neu. Eine Ermutigung zum Lachen über, vor allem aber mit derart positiv gezeichneten DDR-Charakteren ausgerechnet aus einem Hauptquartier des Wiedererkalteten Krieges, das überrascht dann aber doch.

Die Botschaft des Films ist einfach: Ost und West, Stasi und BND, Täter und Opfer - diese Gräben sind zugeschüttet, lasst uns einheitstrunken drüber lachen! Und tatsächlich funktioniert das Leinwandstück als ideologische Lockerungsübung, so wunderbar spielt es in perfekt getimten Gags mit sämtlichen Ganovenfilm- und DDR-Klischees. Da zitiert der Film vom Splitscreen-Verfahren über die Prenzlauer-Berg-Wohnung eines Ex-Agenten und die blaustichige Optik bis zum blassgrünen Postsowjet-Zimmermädchenkostüm zahlreiche Stereotype so liebevoll, dass das Werk auch als Hommage erblüht. Die herausragend aufspielende Starriege von Hübchen bis Gwisdek tut ihr Übriges, um diesen Klamauk endgültig zum sehenswerten Leuchtfeuer im ansonsten ziemlich düsteren Filmkomödien-Deutschland aufzuwerten.

Allein, die unfreiwillige Pointe dieses durch die Feuilletons wohlwollend besprochenen Films ist bislang unterbelichtet. Die hymnischen Besprechungen wehen als laues Lüftchen in dem eiskalten Klima des Versuchs, einen renommierten Wissenschaftler systematisch fertig zu machen. Andrej Holm, den die Linkspartei in Berlin erst Ende 2016 zum Staatssekretär für Bauen und Wohnen ernannte, verlor sein Amt vor wenigen Wochen. Und das, weil er als Jugendlicher Ende der achtziger Jahre eine Offizierslaufbahn bei der Stasi begann und diesen Stempel der Schande nicht ständig auf der Stirn spazieren trägt. Zuvor schwelte eine ausdauernde und ehrverletzende Kampagne gegen den radikal auf Seiten der Mieter stehenden Holm, die zuletzt im Rauswurf des Stadtentwicklungsforschers durch die Humboldt-Universität Berlin gipfelte.

Die versuchte Auslöschung einer beruflichen Existenz aufgrund eines völlig sachfremden, durch findige Moralisten konstruierten Vergehens entreißt dem Versöhnungstandaradei den Schleier und lässt es in ganz anderem Licht erscheinen. Der »Tagesspiegel«, sozusagen die brutale Speerspitze in der Kampagne gegen Holm, bejubelt »Kundschafter des Friedens« als »genüsslich ausgestellte Revanche Ost gegen West«. Die »Berliner Zeitung«, auch nicht gerade zimperlich im Umgang mit Holm, stellt in grotesker Verdrehung der im eigenen Blatt ausgefochtenen Scheingefechte fest: »Offenbar scheint mittlerweile genug Zeit ins Land gezogen zu sein, um sich diesem Thema von der humoristischen Seite zu nähern.«

Wirklich Verlass ist da wieder einmal nur auf den vielleicht letzten aufrechten Antikommunisten vom alten Schlage, der seinen Klassenkampf nicht hinter postmodern vernebeltem Geschwurbel zu verstecken trachtet. Hubertus Knabe, Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, nörgelte beim MDR: »Das Skrupellose dieser Geheimpolizei der DDR kommt nicht richtig rüber. Man hätte die Zuschauer zwischendurch auch mal zum Nachdenken bringen müssen. Und die Perspektive der Opfer wird vernachlässigt.« Für Knabe führen also weiterhin alle Wege linker Politik ungebremst in die Hölle der Gleichmacherei.

»Kundschafter des Friedens« ist ein guter Film mit dem Potenzial, diese angestaubte Logik zu durchbrechen. Dass es letztlich misslingt, ist nicht dem 1974 geborenen West-Berliner Regisseur Robert Thalheim anzulasten, sondern jenen Racheengeln, deren Verteufelung eines Linken derzeit bei der Immobilienlobby die Sektkorken knallen lässt.

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