Kreml hält sich zurück

Umkämpftes ukrainisches Awdijiwka vor Evakuierung

  • Axel Eichholz, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Bisher sagte der Ortsname Awdijiwka nur Insidern des Konflikts in der Ostukraine etwas. Seit Sonntag ist er nun in aller Munde. Die Kleinstadt mit einer Einwohnerzahl um 25 000 Menschen in Friedenszeiten - momentan 12 000 und davon 2500 Kinder - liegt an der Trennlinie zwischen den Kriegsparteien auf ukrainischer Seite. Sie liegt unter Feuer von Raketenwerfern und schweren Artilleriegeschützen.

Falls die dortige Koks- und Chemiefabrik zerstört wird, muss die Bevölkerung komplett evakuiert werden. An der Kokerei hängt die ganze Heizung der Stadt. Ohne sie würde Awdijiwka bei minus 20 Grad erfrieren. Wenn Verkokungsbatterien abkühlen, können sie nicht mehr repariert werden. Sie müssen abgerissen und neu gebaut werden.

Die Konfliktparteien werfen sich gegenseitig vor, einen neuen Krieg vom Zaun brechen zu wollen. Die Moskauer Gazeta.ru schreibt unter Berufung auf einen Bericht der »Süddeutschen Zeitung«, in Deutschland sei man angeblich überzeugt, dass Kiew die Kämpfe provoziert habe, um Washington von einer Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin abzubringen.

Putins Sprecher Dmitri Peskow beschuldigte nicht näher definierte »eigenständige« Gruppen. Er vermied es diesmal, die ukrainische Armee zu erwähnen. Ernstzunehmende Experten meinen, Poroschenko könne sich das Vorgehen nicht leisten. Zwar stehe er den Donezker Separatisten gegenüber. Er wisse aber, dass er es im Ernstfall mit der russischen Armee zu tun haben werde.

Moskau könne gerade jetzt, da sich eine Verbesserung seiner Beziehungen mit Donald Trump abzeichne, nach Expertenmeinung keinen neuen Krieg gebrauchen. Die daran vielleicht interessierten Separatisten wandten sich aber bereits an Trump, Putin und die UNO mit der Bitte, »Poroschenko zu stoppen«.

Awdijiwka liegt nur wenige Kilometer von der Separatistenhauptstadt Donezk entfernt. Artilleriegeschosse schlugen dort angeblich bereits am Stadtrand ein. Aus Moskau meldete sich der frühere »Befehlshaber des Volkswiderstandes im Donbass«, Igor Strelkow, zu Wort. Er warnt vor einer ukrainischen Offensive. Die ukrainische Armee werde Donezk in den nächsten Tagen stürmen, behauptet er.

An der Formulierung »eigenständige Gruppen« kann etwas dran sein. Einige ehemalige ukrainische Teilnehmer der »Anti-Terror-Operation« haben sich zusammengetan, um dem Treiben derjenigen, die sich nach ihrer Auffassung am Krieg goldene Nasen verdienen, ein Ende zu setzen. Ein reger Handel zwischen der Ukraine und dem Donbass sei über die Frontlinien hinweg im Gange, sagen sie. Güterzüge mit Steinkohle und Koks würden hin und her bewegt. Einer der Eisenbahnknotenpunkte sei Awdijiwka.

Die »Eigenständigen« planen einen sogenannten Schienenkrieg wie 1942 gegen die deutsche Wehrmacht. Sie entfernten bereits ganze Gleisstücke auf einigen Eisenbahnstrecken, was sich aber bisher als wenig wirksam erwies. Künftig wollen die neuen Partisanen Züge in die Luft jagen. Kommentar Seite 4

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