Bürgerkrieg statt Klimaschutz

Wolfgang Pomrehn über den internationalen Kampf der Rechten gegen seit langem etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 3 Min.

Der rechte Flügel der Konservativen, Ultrareligiöse und Rechtsradikale haben ein Problem mit der Wissenschaft. Das scheint über alle Grenzen von Ländern und Glaubensbekenntnissen hinweg eine verbindende Gemeinsamkeit zu sein. Zuletzt zeigte sich das unter anderem an den Anstrengungen der türkischen Regierungspartei AKP, die Erkenntnisse über die Evolution der Arten aus den Lehrplänen zu verbannen – eine Politik, die auch bei US-amerikanischen wie hiesigen Evangelikalen sehr beliebt ist. So war zu Beginn des Jahrtausends mit Karin Wolff (CDU) eine bekennende Gegnerin der wissenschaftlichen Evolutionstheorie hessische Kultusministerin.

Doch warum führt ein Teil der Konservativen in Nordamerika, Europa und mitunter auch im Nahen Osten – dort meist unter islamischem statt christlichem Vorzeichen – im Gleichklang mit der äußersten Rechten diesen hartnäckigen Kampf gegen seit langem etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse?

Bei der Evolutionstheorie ist die Erklärung vermutlich einfach im Ringen um die kulturelle Hegemonie zu suchen. Beim Kampf gegen die Klimawissenschaften – ein anderes beliebtes Thema sowohl des neuen US-Präsidenten, der Alternative für Deutschland (AfD) wie auch des wahabitischen Königshauses in Saudi-Arabien – liegen die ökonomischen Interessen hingegen offen zu Tage. Die massive und meist ziemlich abstruse Propaganda, mit der die wachsenden Risiken des Klimawandels und das darüber vorhandene Wissen geleugnet wird, soll vor allem von den Ursachen ablenken, nämlich vom durch die Verbrennung von Kohle und Erdölprodukten freigesetzten Kohlendioxid. Will man seine Emissionen vermeiden, müsste aus den fossilen Energieträgern ausgestiegen werden. Doch damit wäre das Geschäftsmodell sowohl Saudi-Arabiens und der US-amerikanischen Ölkonzerne wie auch das der deutschen Automobilindustrie, der Kraftwerksbesitzer oder das Erdgas- und Braunkohlegeschäft hiesiger Energiekonzerne bedroht.

Das ist der praktische Grund für den Maulkorb, den Donald Trump nun den bei Bundesbehörden beschäftigten Wissenschaftlern umhängen will. Auch einige von Trumps Personalien lassen sich leicht mit ökonomischen Interessen erklären. So wird der für seine antiwissenschaftlichen Positionen bekannte Bundesanwalt Scott Pruitt neuer Chef der US-Umweltbehörde EPA, um die Auflagen für Kohlekraftwerke und den Bergbau zu beseitigen. Pruitt hat sich in der Vergangenheit mit einer Reihe von industriefreundlichen Klagen gegen eben jene Behörde einen Namen gemacht, deren Leitung er nun übernehmen wird. Trumps Außenminister Rex Tillerson kommt direkt aus der Chefetage von ExxonMobil.

Bei der AfD, die bisher an keiner Regierung beteiligt ist, ist der Zusammenhang vielleicht nicht ganz so direkt herzustellen, aber vielleicht würde sich ja ein Blick in die Liste ihrer Spender lohnen.

Allerdings gibt es neben diesen ökonomischen auch noch wichtige ideologische Aspekte der rechten Wissenschaftsfeindlichkeit. In vielen rechten Milieus, seien sie ultrareligiös oder extrem nationalistisch, haben sich Weltanschauungen herausgebildet, die sich jeder rationalen Auseinandersetzung verschließen. Exemplarisch veranschaulicht wird das im AfD-Programm, das ein Ende des Klimaschutzes und eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten fordert sowie die gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen für den Strom aus Windkraft und Solaranlagen in Frage stellt. Nach die vergangenen drei Jahre im globalen Maßstab jeweils neue Temperaturrekorde aufgestellt haben, heißt es im Grundsatzprogramm der Ultra-Nationalisten (im Internet im Juni 2016 veröffentlicht): »Seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts gibt es jedoch im Widerspruch zu den IPCC-Prognosen keinen weiteren (Temperatur-)Anstieg«.

Die Methode ist ganz ähnlich wie bei den Ultrareligiösen: Man erfindet sich seine eigene Realität und bekämpft alle, die diesem Glauben rationale Erkenntnis entgegensetzen. Hasstiraden und persönliche Angriffe ersetzen dabei für gewöhnlich das sachliche Argument. Das Problem: Ein demokratischer Diskurs ist auf dieser Ebene unmöglich. Gelangen die Exponenten derartiger Ideologien zu Einfluss, so ist die (weitere) Polarisierung der Gesellschaft die unvermeidliche Folge und am Horizont erscheint das Gespenst des Bürgerkrieges.

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