Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

Die Erwartungen der israelischen Siedler-Lobby werden von der Trump-Regierung wohl doch nicht erfüllt

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis zuletzt hatten sich überwiegend jugendliche Aktivisten in den Häusern von Amona verschanzt, während sich die meisten der ursprünglich gut 280 Bewohner längst auf den Weg gemacht hatten. Mehr als zehn Jahre lang hatte man mit den Palästinensern, auf deren Land die ohne Genehmigung gebaute Siedlung errichtet wurde, juristisch gestritten; monatelang hatte die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu versucht, die Umsetzung des Räumungsurteils des Obersten Gerichtshofes hinauszuzögern. Doch am Ende hatte sich selbst der Generalstaatsanwalt und juristische Vertreter Avichai Mandelblit, eigentlich ein Netanjahu-Vertrauter, geweigert, weitere Anträge bei Gericht einzureichen.

Es war nicht der einzige Rückschlag für die Siedler-Lobby in Israel. Nachdem Netanjahu angekündigt hatte, den einstigen Amona-Bewohnern eine komplett neue Siedlung bauen zu wollen, kritisierte US-Präsident Donald Trump überraschend die derzeitige Siedlungspolitik. Der Bau neuer Siedlungen oder die Ausweitung über bestehende Grenzen hinweg »könnten« ein Friedenshindernis darstellen, erklärte Trump-Sprecher Sean Spicer. Man habe noch »keine offizielle Position mit Blick auf die Siedlungsaktivitäten erarbeitet«; der Präsident werde darüber mit Netanjahu während eines für den 15. Februar geplanten Treffens sprechen.

In der israelischen Regierungskoalition, die aus konservativen, religiösen und rechten Parteien besteht, hoffen viele darauf, dass Israels Regierung die Nahost-Politik des außenpolitisch unerfahrenen Trump maßgeblich mitgestalten kann. Trump hatte sich vor seiner Amtseinführung ausgesprochen pro-israelisch gegeben, gar angekündigt, am Tag nach der Vereidigung werde »Palästina von der Tagesordnung genommen«.

Der Bau einer offiziell neuen Siedlung wäre eine deutliche Abkehr vom Status quo, an den sich alle israelischen Regierungen seit den Osloer Verträgen 1994 gehalten haben: Bestehende Siedlungen wurden ausgeweitet, ohne Genehmigung gebaute Siedlungen geduldet und oft mehr oder weniger offen unterstützt. Aber die letzte offizielle Siedlung wurde 1992 errichtet.

Die Kritik aus Washington hat bei der israelischen Rechten für deutliche Ernüchterung gesorgt, zumal das Trumpsche Entgegenkommen auch in anderen Punkten nicht völlig bedingungslos ist: Die Sondierungsgespräche über die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt und eine Verlegung der US-Botschaft dorthin, die am allerersten Tag nach Trumps Amtseinführung öffentlichkeitswirksam aufgenommen worden waren, sind nun schon wieder auf Eis gelegt worden. Auch hier heißt es aus Washington, man sei noch dabei, sich eine Meinung zu bilden.

Aber: Mittlerweile haben neben Jordaniens König Abdullah II. auch Regierungsvertreter mehrerer Staaten auf der arabischen Halbinsel bei Trump vorgesprochen und auf die möglichen Folgen eines solchen Schritts hingewiesen. Eine Anerkennung von Jerusalem samt den heiligen Stätten des Islam auf dem Tempelberg und den eingemeindeten Dörfern im Osten als israelische Hauptstadt werde Extremistengruppen Zulauf verschaffen und zur Gewalt anstacheln, so Abdullah II. Er wiederholte damit Warnungen, die auch von den israelischen Geheimdienstvertretern ausgesprochen wurden. Vertreter des US-Militärs warnen indes vor den Folgen für Militäreinsätze in der Region; man sei auf die Kooperation mit den Regierungen dort angewiesen.

Das Siedlerlager in der Regierung hatte in den vergangenen Wochen eine Wunschliste für Trump ausgearbeitet. Auf ihr stehen neben der Hauptstadtfrage auch umfassende Baumaßnahmen im Westjordanland, die de facto ein endgültiges Bekenntnis zur Einstaat-Lösung bedeuten würden. Mit Trump als Präsident stünden die Chancen gut, dass Wünsche wahr werden, hatte Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei »Jüdisches Heim«, gesagt, und im Umfeld von Trump hatte man den Eindruck gefördert. Nun ist man in der Realität angekommen.

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