Lob aus Warschau für Merkel

Außenminister Waszczykowski sieht Polens Vorschläge ernst genommen

  • Wojciech Osinski, Warschau
  • Lesedauer: 2 Min.

»Die polnische Stimme wird in Europa vernommen und unsere Vorschläge werden ernst genommen«, freute sich Polens Außenminister Witold Waszczykowski am Donnerstag im Sejm. Den Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel führte er dafür als erneuten Beweis an.

Angela Merkel und Beata Szydlo hatten sich am Dienstag in Warschau in vielen Fragen einträchtig gegeben, einige Bekundungen ließen jedoch ahnen, dass es hinsichtlich der Zukunft der EU nach wie vor unterschiedliche Visionen gibt. Zwar haben beide Regierungschefinnen nach der Brexit-Entscheidung die Notwendigkeit von »Veränderungen« betont, aber die Bundeskanzlerin hat sich gegen Polens Wünsche nach einem Rückbau der EU ausgesprochen. Dies vermochten auch Waszczykowskis rhetorische Muskelspiele nicht zu überdecken.

Merkel warnte vor einschneidenden Vertragsveränderungen, auf deren Durchführung die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit Monaten pocht. »Frau Merkel hat betont, dass sie Polen für eine starke EU braucht, jedoch gleichfalls unserer Regierung latent zu verstehen gegeben, dass sie eine Schwächung Europas nicht zulässt«, schreibt Jacek Pawlicki, Redakteur der Warschauer Wochenzeitschrift »Newsweek Polska«.

Die Vorschläge der PiS-Regierung zielen darauf ab, die EU auf die Themen Binnenmarkt, Umwelt und Verteidigung zu konzentrieren. »Ich kann mir im Augenblick nicht vorstellen, dass man eine realistische Möglichkeit hat, hier irgendwelche Dinge zurückzudrehen«, sagte indessen die Kanzlerin am Dienstag in der polnischen Hauptstadt. Die subtile Absage an Ministerpräsidentin Beata Szydlo kam für viele Beobachter an der Weichsel nicht überraschend. »Ihre sensible und pragmatische Politik der kleinen Schritte macht in der aktuellen Situation mehr Sinn«, zeigte Bartosz Weglarczyk, Chefredakteur des beliebten Portals »Onet.pl«, Verständnis für Merkel.

PiS-Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski sprach sich beim gemeinsamen Essen im Warschauer Lazienki-Palast trotzdem für eine vierte Amtszeit Angela Merkels aus. In seinem 2011 erschienenen Buch »Das Polen meiner Träume« glaubte er noch Angela Merkel als »Stasispitzel« enttarnt zu haben.

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