Acht plus zwei gleich Zukunft?

Die für das kommende Jahr geplante Thüringer Gebietsreform ist heftig umstritten

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Fit für die Zukunft!« ist der Slogan, mit dem die Thüringer Regierung für ihre Kreis- und Gemeindegebietsreform wirbt. »Wer die Reform nicht will, fährt dieses Land in die Blockade«, sagte jüngst der Landtagspolitiker Frank Kuschel (Linkspartei). Jene kürzlich vorgelegte Studie des Ifo-Instituts, die am Nutzen solcher Reformen grundsätzliche Zweifel äußere, sei ein »Mythos«, nur ein »Aufsatz« eines Doktoranden, der für die FDP zur Landtagswahl 2009 in Thüringen kandidiert habe. Die Untersuchung, die fiskalische Effekte durch Kreisreformen bezweifelt, aber ein Ansteigen von Politikverdrossenheit und Populismus vorhersagt, bilde eine Minderheitenposition ab, die von »fünf Prozent« der Forscher geteilt werde, so Kuschel. Aktuelle Untersuchungen wiesen für Gebietsreformen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sehr wohl Effizienzgewinne aus.

Geradezu »fahrlässig und unseriös« sei es daher seitens der CDU gewesen, diesen Aufsatz zu einer »Studie« ernannt und zur Grundlage einer Anhörung im Landtag gemacht zu haben, erklärt der Kommunalexperte der Thüringer Linksfraktion und verweist unter anderem auf eine Stellungnahme der Wirtschaftsverbände.

Die Pläne der rot-rot-grünen Landesregierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) sehen vor, die Zahl der Kreise von bisher 17 auf nur noch acht zu reduzieren und so fast zu halbieren und von den bisher sechs Stadtkreisen nur Erfurt und Jena zu erhalten; umgesetzt werden soll das 2018.

»Als Landesregierung sagen wir: Gegen einzelne Reformvorschläge kann man durchaus sein, gegen die Reform insgesamt aber nicht«, sagt der Ministerpräsident. Genau das betreibt aber die Opposition. Nicht nur etliche Landkreise und Städte wollen gegen die Reform vor das Landesverfassungsgericht ziehen, unter anderem, weil Gemeindefusionen stattfinden sollen. Die CDU hat gleich zwei Verfahren angeschoben.

Umgekehrt klagt die Landesregierung gegen die Zulassung des von der CDU angeschobenen Volksbegehrens gegen die Reform, da dieses finanzwirksam sei, was die Verfassung verbiete. Auf die Thüringer Landesverfassungsrichter kommt also viel Arbeit zu im angebrochenen Jahr. Insgesamt liegen den Richtern derzeit 13 Klagen rund um die Gebietsreform vor.

In Thüringen ist die Struktur der Stadt- und Landkreise seit 1994 unverändert. Damals war die Zahl der Kreise von 35 auf die heutigen 17 reduziert worden. Die ostdeutschen Länder Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen haben dem langjährig von der CDU beherrschten Freistaat also bislang eine Kreisreform voraus, die meist zwischen 2005 und 2010 vollzogen wurde. In Brandenburg ist eine solche derzeit ebenfalls in Arbeit - und gleichfalls umstritten.

Laut den Planungen der Landesregierung sollen die Kreise Einwohnerzahlen von 130 000 bis maximal 250 000 Einwohner aufweisen. Die viel kritisierte Reform in Mecklenburg-Vorpommern hat den Einwohnerzahlen nach ähnlich große Kreise geschaffen - zwischen 160 000 und 270 000. Flächenmäßig sind die Kreise im Nordosten allerdings erheblich größer: Nur einer der sechs Kreise liegt unterhalb der in Thüringen angestrebten Obergrenze von 3000 Quadratkilometern, der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ist mit rund 5500 Quadratkilometern fast doppelt so groß wie der Richtwert der Thüringer Reform.

In ihren vorgesehenen Dimensionen geht die geplante Thüringer Reform einen Mittelweg zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Dort haben die Kreise seit der Reform von 2007 zwischen 86 000 und 220 000 Einwohner. Flächenmäßig reicht die Bandbreite von rund 1400 bis 2400 Quadratkilometern.

In Sachsen haben die Kreise zwischen 200 000 und 250 000 Einwohner und messen zwischen 950 und 2400 Quadratkilometer.

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