Partner auf Rezept

Langjährige Beziehungen mit klugen Menschen könnten vor Demenz schützen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 4 Min.

Glückliche Menschen machen ihre Partner gesund. Diese gute Botschaft ergab eine Studie, die im letzten Jahr in den USA vorgelegt wurde. Befragt wurden 2000 ältere verheiratete heterosexuelle Paare zwischen 50 und 94 Jahren über einen Zeitraum von 6 Jahren. Diejenigen, die von einem glücklichen Partner berichteten, gaben zugleich auch immer ein besseres Allgemeinbefinden an als die anderen. Sie sahen sich zudem signifikant seltener physisch beeinträchtigt und bewegten sich offenbar auch deutlich mehr. Die positiven Befunde hatten sogar Bestand, wenn die Probanden sich selbst nicht glücklich schätzten.

Ähnliche Aussagen über den heilenden Einfluss nahe stehender Menschen gibt es auch immer wieder zu einzelnen Krankheiten - obwohl die US-Studie einschränkt, dass die tatsächlichen chronischen Krankheiten von der Partnerwahl nicht positiv beeinflusst wurden. Wissenschaftler gehen dennoch davon aus, dass langjährige Beziehungen dazu beitragen können, besser mit Stress umzugehen und die Partner gesünder sind.

Noch nicht klar ist dabei, wie typische Symptome einer Depression von einer Partnerschaft beeinflusst werden. Gedrückte Stimmung und Antriebslosigkeit gehören zu den Krankheitszeichen, aber auch schwächere soziale Interaktion. Hilft es hier, wenn achtsames und mitfühlendes Miteinander gefördert werden? Könnte entsprechendes Training für Paare mit einem depressiven Partner der Gesundheit beider nutzen? Eine Studie an der Universitätsklinik Heidelberg sucht zu diesen Fragen aktuell noch nach Probanden. Voraussetzung ist eine Depression der Frau, die in einer mindestens zwei Jahre dauernden, festen, heterosexuellen Beziehung lebt. Ein zehnwöchiges Training für beide Partner wird mit Hilfe von Fragebögen und Labortests begleitet und ausgewertet.

Soziale Risikofaktoren scheinen besonders dann interessant, wenn die Entwicklung der Therapie auf der Stelle tritt. Eine solche Situation zeigt sich bei Demenz, darunter insbesondere bei Alzheimer. So hob der emeritierte britische Demenzforscher Lawrence Whalley eine wichtige Eigenschaft des Lebenspartners hervor: Ein kluger Mensch sorge in Ehe und Beziehung dauerhaft für intelligenten Input - und verhindere so Alzheimer. Whalleys Rat knüpft an die allgemein gesicherte These an, dass mentale Fitness bis ins hohe Alter dazu beiträgt, Demenzerkrankungen zu vermeiden. Der Mediziner bezog sich unter anderem auf Ergebnisse der Zwillingsforschung aus Australien. Dabei wurde der Einfluss der Partnerinnen auf männliche Probanden untersucht - hier zeigten häufig die Brüder mit den weniger intelligenten Frauen erste Zeichen einer Demenz. Natürlich wurden auch weitere schützende Faktoren erfasst, darunter eine gute Schulbildung oder ein Jobwechsel zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr.

Demenzforscher gehen seit längerem von einer Hypothese der Reservekapazität aus. Danach hat das Gehirn eines Menschen mit einer hohen Bildung eine größere derartige Reserve. Damit könnten die Gebildeten Beeinträchtigungen etwa durch ein Demenz besser kompensieren.

Bei der Suche nach Risikofaktoren für kognitive Beeinträchtigungen gerieten auch soziale Netzwerke in den Fokus, die Betrachtung galt allen engen sozialen Bindungen. Danach senkte Zufriedenheit mit den Kontakten auch dann das Erkrankungsrisiko, wenn diese nur unregelmäßig waren. Ist das soziale Netzwerk aber gering ausgeprägt, erhöht sich das Risiko für eine Demenz um 60 Prozent.

Eine neuere australische Studie von 2013 ermittelte als schützenden Faktor sowohl für Demenz als auch milde kognitive Beeinträchtigungen ausdrücklich die Ehe. 889 Menschen im Alter von 70 bis 90 Jahre waren untersucht und befragt worden. Schon 1999 wurde ein fast dreifach erhöhtes Alzheimer-Risiko für nicht verheiratete Personen gefunden. Aus dem gleichen Jahr stammt aber auch eine andere Studie, die als Risikofaktor für genau diese Krankheit einen »dominanten Lebenspartner« ermittelte. Als Belastungsfaktoren erwiesen sich Partnerschaften dann, wenn sie zur einzig wichtigen sozialen Beziehung wurden. Ebenso ungünstig zeigte sich die Dominanz des gesunden Partners und eine Überversorgung des kränkeren.

Einschränkend gilt für die meisten hier genannten Studien, dass nur Assoziationen zwischen den Risikofaktoren und der Erkrankung festgestellt wurden, jedoch keine Kausalität. Weniger Demenz also bei klügeren Partnerinnen, aber nicht: dumme Partner verursachen Alzheimer.

Der Psychiater und Demenzforscher Ralf Ihl aus Krefeld sieht es als erwiesen an, dass das Erkrankungsrisiko bei Zusammenleben oder Heirat gegenüber dem Alleinleben deutlich sinkt.

»Deshalb zielen die therapeutischen Anstrengungen heute auf eine stärkere Wiedereinbindung in das soziale Umfeld.« Ihl betont jedoch auch, dass geistige, körperliche und soziale Aktivität das Demenzrisiko senkt. Jeder dieser Aspekte ist wichtig und so hilft es wenig, in der Angst vor dem Gedächtnisverlust durch Demenz allein auf die glückliche und kluge Gattin zu setzen. Für Beziehungsmuffel tröstlich: Es gibt auch noch andere Faktoren. Bei regelmäßiger Verrichtung kann das Demenzrisiko durch Reisen, Handarbeiten und Gärtnern gesenkt werden.

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