Mit Peitsche und Schwert

Häufig im Freien, teils mit skurrilen Übungen: Chinesische Senioren sind beim Sport in den Städten präsent

  • Johannes Neudecker
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Gruppe Rentnerinnen führt mit Schwertern Tai-Chi-Übungen aus. In China ist Tai-Chi eine beliebte Trainingsmethode für Leute im Ruhestand.
Eine Gruppe Rentnerinnen führt mit Schwertern Tai-Chi-Übungen aus. In China ist Tai-Chi eine beliebte Trainingsmethode für Leute im Ruhestand.

Wer im Alter fit bleiben und länger leben will, greift in China mitunter zur Waffe – natürlich zu keiner echten. Für manche Rentner gehören ungewöhnliche Sportgeräte jedoch zum Alltag. So wie für Herrn Wang: In einem Park nahe dem Olympia-Zentrum in Peking schwingt er konzentriert seine Peitsche. Unter scharfem Knallen jagt er damit einen bunten Kreisel durch die Pekinger Sommernacht.

Sein Arzt riet Wang vor Jahren wegen seiner steifen Schulter zu mehr Sport. Also habe er nach etwas Überlegen entschieden, eine Peitsche zu kaufen, sagt der heute 69-Jährige. »Ein alter Mann in unserer Heimatstadt sagte, ich solle die kaufen. Ich kann auch keine Tricks. Ich schwinge sie einfach zweimal hin und her«, berichtet Wang, der seinen vollständigen Namen nicht nennt. 

Frau Wei nutzt die Chance, etwas Neues auszuprobieren: Die 51-Jährige hörte bereits auf zu arbeiten. Jetzt trainiert sie fast jeden Morgen mit anderen Rentnerinnen vor dem berühmten Trommelturm im Herzen Pekings mit Schwert und Fächer Tai-Chi. »Es fördert die Blutzirkulation und hilft bei kleineren körperlichen Beschwerden«, sagt sie. Für die meditative Kampfkunst nimmt sie sich ein bis zwei Stunden pro Einheit Zeit.

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Chinas Bevölkerung altert rasant. Weil die Babyboomer nun in den Ruhestand gehen, gibt es immer mehr Rentner. Bei einer parallel sinkenden Geburtenrate wächst der Druck auf die Rentenkasse. Experten schätzen, dass sich Chinas Bevölkerung mit ihren heute rund 1,4 Milliarden Einwohnern bis 2100 halbiert haben könnte. Deshalb erhöht Peking seit diesem Jahr schrittweise das Rentenalter von 60 auf 63 Jahre für Männer und von 55 auf 58 Jahre für Frauen. 

Chinas Wirtschaft wittert gute Geschäfte mit den alten Leuten. Für Reisen gibt es speziell für Rentner angepasste Züge. Diese »Silberhaar«-Zugreisen bieten an Bord auch eine Krankenstation. Bis 2035 erwartet die Regierung, dass die »Silber-Wirtschaft« neun Prozent statt wie derzeit sechs Prozent zum Wachstum beiträgt.

Umfragen zeigen, dass etwa die Hälfte der Rentner mindestens einmal die Woche Sport treibt. Die Ideen gehen ihnen nicht aus: Im Netz kursieren Videos von betagten Sportlern bei kuriosen Übungen. Manche stoßen ihren Rücken gegen einen Baumstamm – das soll die Durchblutung anregen. Andere hängen ihren Kopf in eine Art Schaukel und schwingen daran hin und her. Ganz ungefährlich ist das »Nacken-Hängen« nicht. Nach Berichten über tödliche Unfälle verboten die Behörden die Übung in manchen Parks.

Weniger gefährlich ist Tanzen. Wer abends durch Chinas Städte schlendert, sieht häufig große Frauengruppen, die auf Plätzen zu chinesischem Techno tanzen. Im Pekinger Taoranting-Park bereitet sich Ge Fang an einem brütend warmen Vormittag auf das Training vor. »Ich komme jeden Tag«, sagt die 68-Jährige. Das Hobby habe sie im Ruhestand entdeckt. Ihre Gruppe tanzt eine Art chinesischen Swing.

Beliebt ist in China auch der »Jianzi«, ein Federfußball, den man teils akrobatisch in der Luft hält. Wer die Rentner in Peking nach dem besten Spieler fragt, hört den Namen Lao Fan. Der 70-Jährige erzählt, Jianzi sei schon in der östlichen Han-Dynastie vor 2000 Jahren gespielt worden. Lao Fan sieht außer neuen Freundschaften noch einen Nutzen: Weil er durch das Jianzi-Spielen gesund bleibe, müssten sich seine Kinder weniger um ihn sorgen. dpa/nd

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