Im Osten droht Richtermangel ab 2020

Richterbund warnt vor Pensionierungswelle

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Erfurt. Der Deutsche Richterbund warnt vor Personalnot an ostdeutschen Gerichten. Viele Richter stünden vor dem Ruhestand, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der dpa. Dies werde 2020 »durchschlagen«, wenn rund 100 Richter und Staatsanwälte im Osten in Ruhestand gingen. 2028 würden es bundesweit 1000 sein. 300 davon entfielen auf die östlichen Flächenländer. »Es werden in den kommenden Jahren mehr gut qualifizierte Richter und Staatsanwälte benötigt, als die neuen Länder ausbilden«, warnt Rebehn. Dort schlössen pro Jahr nur rund 90 Juristen ihr Referendariat mit Prädikatsexamen ab. Der Osten sei so stark betroffen, weil viele Richter nach 1990 zeitgleich angefangen hätten.

Bald würden die Ostländer im Westen auf Personalsuche gehen. Schon heute hätten es Gerichte in ländlichen Regionen schwer, »gut qualifizierten Nachwuchs« zu finden. Laut Richterbund fehlen bundesweit aktuell 2000 Richter und Staatsanwälte, 1000 davon in Nordrhein-Westfalen. Zugleich gebe es weniger Absolventen. Oft vermieden diese das zweite Staatsexamen und gingen in Wirtschaft oder Verwaltung.

Noch schlagen die ostdeutschen Ministerien nicht Alarm. »Der Beruf ist für Absolventen immer noch attraktiv«, meint der Thüringer Ressortchef Dieter Lauinger (Grüne). Im vergangenen Jahr waren in seinem Haus 118 Bewerbungen auf Richterposten eingegangen. 2015 seien es 80 gewesen - doppelt so viele wie 2014. Allerdings gingen in den nächsten zehn Jahren 40 Prozent aller Richter und Staatsanwälte in Thüringen in den Ruhestand.

Auch in Sachsen-Anhalt droht eine Pensionierungswelle. »In zehn Jahren wird uns die Hälfte der Richter verlassen haben, in 14 Jahren zwei Drittel«, sagt die Präsidentin des Landgerichts Magdeburg, Sigrid Jaspers. Schon jetzt sind einige Gerichte unterbesetzt. Am Landgericht Magdeburg fehlen fünf Richter, am Landgericht Halle sieben bis acht.

Laut Berliner Justizverwaltung scheiden 2021 altersbedingt 190 Richter und Staatsanwälte aus, zudem 420 Justizbedienstete und 500 Bedienstete in Gefängnissen. Um Engpässen vorzubeugen, will die Justizverwaltung in diesem Jahr 80 bis 100 neue Richter einstellen, die meisten davon nach dem Referendariat.

Sachsen will sich mit einer Sonderregelung Luft verschaffen. Richter und Staatsanwälte der Jahrgänge 1962 bis 1964 könnten bis zu drei Jahre länger arbeiten, wenn sie wollen. So solle die Altersstruktur »entzerrt« werden, heißt es in Dresden.

In Mecklenburg-Vorpommern beträgt laut Ministerium das Durchschnittsalter bei Richtern 52, bei Staatsanwälten 51 Jahre. Ministerin Katy Hoffmeister (CDU) sagte, in den nächsten Jahren seien die Pensionierungen noch aufzufangen. »Doch ab Mitte der zwanziger Jahre wird es schwieriger. Dann müssen innerhalb von nur sechs Jahren etwa 40 Prozent aller Stellen nachbesetzt werden.« In Brandenburg warnte der Richterbund vor Einsparungen: »Man muss jetzt rechtzeitig in die juristische Zukunft Brandenburgs investieren.« dpa/nd

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