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US-Einwanderungsbehörde jagt mit israelischem Staatstrojaner

Herstellerfirma Paragon ist jetzt in US-amerikanischem Besitz

Bundesbeamte der Einwanderungsbehörde werden auch bewaffnet auf der Straße eingesetzt. Für ihre Jagd auf Migrant*innen verfügen sie nun über ein mächtiges virtuelles Werkzeug.
Bundesbeamte der Einwanderungsbehörde werden auch bewaffnet auf der Straße eingesetzt. Für ihre Jagd auf Migrant*innen verfügen sie nun über ein mächtiges virtuelles Werkzeug.

Der Name Paragon stand bislang für Überwachungsskandale in Europa: Journalist*innen, Oppositionelle und Aktivist*innen wurden mit der Spyware »Graphite« des israelischen Unternehmens ausgespäht – in Italien etwa der Investigativreporter Francesco Cancellato und Mitglieder einer Seenotrettungsorganisation. Eine Untersuchung von Citizen Lab dokumentierte über 90 Betroffene in mehreren EU-Staaten.

Nun berichtet der britische »Guardian«, dass die US-Einwanderungsbehörde ICE »Graphite« zukünftig nutzen darf. Der Vertrag mit Paragon Solutions wurde unter der Trump-Regierung freigegeben. Die Biden-Administration hatte den Deal noch eingefroren – angeblich, um die Vereinbarkeit mit einer Anti-Spyware-Verordnung zu prüfen.

»Graphite« gilt als eines der leistungsfähigsten Hacking-Werkzeuge weltweit, verkauft wird es laut dem Hersteller nur an Regierungen. Mit der Software können Behörden sämtliche Daten auf einem Smartphone auslesen – einschließlich verschlüsselter Kommunikation über Signal oder Whatsapp. Zudem lässt sich ein Telefon durch heimliches Aktivieren des Mikrofons zur Wanze umfunktionieren.

Für ICE, das nach dem Amtsantritt des Präsidenten Donald Trump wegen martialischen Einsätzen auf der Straße, harten Haftbedingungen und Massenabschiebungen von Migrant*innen in der Kritik steht, bedeutet der Zugriff auf »Graphite« eine weitere Ausweitung seiner Möglichkeiten. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) kritisiert den Vertrag deshalb scharf und warnt vor gravierenden Folgen für Grundrechte und Sicherheit. Der Trojaner könne gegen Regierungsgegner*innen zweckentfremdet werden.

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Paragon betont, nur mit Demokratien zusammenzuarbeiten und Missbrauch konsequent zu sanktionieren. Auch in Italien hatte der Missbrauch von Paragon-Software aber Empörung ausgelöst. Daran erinnert der Spyware-Experte John Scott-Railton von Citizen Lab: »Die Liste von Spyware-Skandalen wächst auch in Demokratien«, sagte er dem »Guardian«. Hinzu kommt, dass Paragon auch jegliche Information über seine Kunden verweigert.

Für die USA bedeutet die Freigabe des Vertrags einen Bruch mit der bisherigen Linie, die den Einsatz ausländischer Spyware kritisch sah. Allerdings ist eher eine Umgehung: Nach den Skandalen in der EU befindet sich die Firma nunmehr in US-Besitz.

Bürgerrechtsgruppen fordern den Kongress auf, dem ICE zum Einsatz von »Graphite« Grenzen zu setzen. Andernfalls, so die Befürchtung, könnten die staatlichen Spionagewerkzeuge auch in den USA zu einem Instrument massiver Grundrechtsverletzungen werden.

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