Putin und die Frauen

Auch eine Präsidentin ist in Russland möglich, versichert der Kreml ein Jahr vor der Wahl

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 5 Min.

In gewisser Weise gab der Kreml ein gutes Jahr vor der Präsidentenwahl selbst grünes Licht für die Kandidatur einer Frau für das höchste russische Staatsamt. So verwies Kremlsprecher Dmitri Peskow auf die Verfassung. Darin gebe es in dieser Frage »keinerlei Teilung nach Männern und Frauen«. Die Antwort auf die Frage, ob die Föderation auch von einer Präsidentin geführt werden könne, sei also »ganz einfach«, zitierten ihn die »Iswestija« noch rechtzeitig vor dem Frauentag am 8. März.

Obwohl die Präsidentenwahlen 2018 nach einer kurz zuvor aus dem Kreml verbreiteten Nachricht noch gar nicht auf der Tagesordnung der russischen Machtzentrale stehen, wurden sie im Februar unter Hinweis auf anonyme Quellen in dem gleichen Haus fast gleichzeitig Thema in einem runden Dutzend einflussreicher Medien. Deren Tenor lautete, dass der russische Präsident am 11. März kommenden Jahres nicht nur antreten, sondern auch eine besonders große Teilnahme und größte Unterstützung anstreben werde. Nach 53 Prozent Zustimmung im Jahr 2000, 71,3 Prozent 2004 und 63,3 Prozent 2012 soll der größte Erfolg für Wladimir Putin 2018 eingefahren werden.

Warum aber sollte sich ein Wähler aus dem Sessel ins Wahllokal begeben, wenn alles klar sei, fragt man sich im Kreml. Eine viel zitierte, doch anonyme Quelle in dessen Administration hatte wissen lassen, dass von einer regen Teilnahme Erfolg und Legitimität der Wahlen abhängen würden. Ein einheitliches Wählerverzeichnis, das auch die Stimmabgabe fern des eigenen Wohnortes gestatte, könne dem dienlich sein. Ebenso örtliche Volksbefragungen am Tag der Präsidentenwahl.

Einen besonderen Beitrag könnte sich nach Informationen des russischen Internetportals Gaseta.ru die Partei Gerechtes Russland des Premierministers Dmitri Medwedew ausgedacht haben. Dort sinne man darüber nach, zu den Präsidentenwahlen eine Frau als Kandidation zu präsentieren. Im Gespräch seien dafür die Vizesprecherin der Duma Olga Epifanowa, die Vizefraktionschefinnen Alexandra Burkowa und Waleria Gartunga sowie die frühere Schauspielerin (»Im Morgengrauen ist es noch still«) und jetzige Vizevorsitzende des Dumakomitees für Kultur, Jelena Drapeko.

Eine Frau hat sich nach Angaben des Internetportals 218god.net bereits willens gezeigt, in den Wahlkampf einzutreten: Irina Prochorowa. Die 61-jährige Verlegerin ist Staatspreisträgerin Russlands für Literatur und wegen ihres Beitrages zum kulturellen Dialog als Ritter der französischen Ehrenlegion geehrt. Sie wird ebenfalls mit dem Hinweis zitiert, dass »in Russland eine Frau Präsident werden kann«. Dies meint sie deutlich weniger theoretisch als der Kreml.

Erfahrungen in der Politik machte Irina Prochorowa in der Bürgerplattform, deren Bürgerkomitee sie 2013 leitete. 2014 legte sie angesichts der Spaltung der Partei wegen der Vereinigung der Krim mit Russland den Parteivorsitz nieder. Sie gehörte im gleichen Jahr zu den Initiatoren eines Kongresses der russischen Intellektuellen »Gegen Krieg, gegen Selbstisolation Russlands, gegen Restauration des Totalitarismus«. Dazu wurden auch Vertreter der ukrainischen Intelligenz eingeladen. Ihr Bruder, der Milliardär Michail Prochorow, hatte sich 2012 bereits um das Präsidentenamt beworben. Ihm stand seine Schwester Jelena tatkräftig zur Seite.

Als einzige Russin kam jedoch nicht sie, sondern Elvira Nabiullina mit Platz 56 in das Forbes-Rating der 100 einflussreichsten Frauen der Welt. Von der Zentralbankchefin verlauteten bislang keine präsidiale Ambitionen. Dies sicher um so weniger, da die frühere Wirtschaftsberaterin als Vertraute Putins gilt und kaum ohne dessen Billigung in das Amt gekommen sein dürfte. Dort räumt die 53-jährige Volkswirtin seit 2013 in der Männerwelt des Bankensektors auf. Auf der nationalen russischen Liste der einflussreichsten Frauen findet sich ganz vorn Walentina Matwijenko, Vorsitzende des Föderationsrates. Mit Präsident Putin und Regierungschef gehört sie zu den drei Spitzenpolitikern des Landes.

Auf einer Rangliste der zehn einflussreichsten Frauen in der Wirtschaft wiederum nimmt die 54-jährige Olga Golodez den zweiten Rang ein. Die stellvertretende Premierministerin, die auch als Führungsmitglied des Verbandes der Industriellen und Unternehmer tätig war, legte eine Blitzkarriere hin. Nach nur 18 Monaten als stellvertretende Moskauer Bürgermeisterin wurde sie 2012 in die neue Regierung von Dmitri Medwedew berufen und verantwortlich für soziale Fragen. Mit einer Erhöhung der Renten um zwölf Prozent konnte sie im Vorjahr ihren bisher wohl größten Erfolg abrechnen.

Als einzige kämen wohl die »Frauen Russlands« bei den Präsidentenwahlen 2018 um eine Kandidatin überhaupt nicht herum. Die Zeit, da der Zusammenschluss verschiedener Frauenorganisationen fast acht Prozent der Stimmen holte, ist aber mit dem Jahre 1993 lange vergangen.

Der Politik-Experte Konstantin Kalatschew sieht für beliebige Kandidaten aus einer im Parlament vertretenen Partei die Chance, fünf Prozent zu erreichen. Frühere Versuche von Frauen, die gegen Putin antraten, dürften aber wenig Hoffnung machen. So erreichte die heutige Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Ella Pamfilowa, im Jahre 2000 nur 1,01 Prozent der Stimmen.

Im Jahre 2004 kam die heute 61-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin Irina Hakamada auf 3,84 Prozent. Sie war Mitte der 1990er Jahre vom Time Magazin als »Politikerin des 21. Jahrhunderts« und eine der bekanntesten 100 Frauen der Welt gefeiert worden. 2008 verkündete sie ihren Rückzug aus der Politik, arbeitet seither als TV- und Radiomoderatorin, unterrichtet am außenpolitischen Eliteinstitut MGIMO.

Dem Amtsinhaber selbst, der sich noch nicht zu seiner Kandidatur bekannte, dürfte die letzte Wahl bevorstehen. Eine dritte Amtszeit hintereinander ist für Kremlchefs nicht vorgesehen. Putin wurde im Jahr 2000 Präsident und 2004 wiedergewählt. Danach übernahm in einem umstrittenen Ämtertausch Dmitri Medwedew. Putin wurde Premierminister, bis er 2012 wieder in den Kreml einzog. Die Ablehnung einer dritten Amtszeit durch Putin selbst, der sich schon 2008 nicht dazu hinreißen ließ, die Verfassung auf seine Person zuschneiden zu lassen, dürfte weiter gelten.

Als prominente, wenn auch gewohnt aussichtslose Mitbewerber, könnten antreten: KP-Vorsitzender Gennadi Sjuganow, der ultranationalistische Chef der Liberal Demokratischen Partei, Wladimir Schirinowski, für Jabloko der Liberale Grigori Jawlinski und von der Opposition »außerhalb des Systems« PARNAS-Vorsitzender Michail Kassjanow. Hinzu käme vielleicht Alexej Nawalny - wenn es ihm gestattet würde.

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