Berlin setzt Asylabkommen aus

Vorerst möchte der Senat keine Flüchtlinge mehr in Wünsdorf unterbringen

erlin wird vorerst keine Flüchtlinge mehr nach Brandenburg schicken. Auf Nachfrage sagte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) dem »nd«, dass die Unterbringung in Wünsdorf (Teltow-Fläming) ausgesetzt werden soll, bei Bedarf aber wieder in Anspruch genommen werden könne.

Innenministeriumssprecher Ingo Decker bestätigte dem »nd« am Dienstagabend, ein entsprechendes Schreiben, unterzeichnet von Staatssekretär Alexander Fischer, sei am selben Tage in Potsdam eingegangen. Berlin beziehe sich auf Paragraf 2, Absatz 4 des Abkommens über die Unterbringung von Flüchtlingen in Wünsdorf. Demnach könne die Nutzung der bis zu 995 Plätze in einem zum Asylheim umgebauten Verwaltungszentrum mit Ankündigung sechs Wochen vorher ausgesetzt werden. Wolle Berlin die Plätze später wieder nutzen, müsse dies auch sechs Wochen vorher angezeigt werden.

Ausgesetzt sei die Unterbringung nun ab 1. Mai. Ab da entfalle die Entrichtung des Sockelbetrags von 330.000 Euro monatlich, erläuterte Decker. Verhandelt werden müsse dies nicht. Da es so im Abkommen stehe, werde es nun so gemacht. Die Bitte komme ja nicht überraschend, sagte Decker. Es habe sich angekündigt, da Berlin kaum noch Bedarf habe.

Geboren ist die Idee für das Abkommen in der Phase der Ankunft vieler Flüchtlinge, die sich von Ende 2014 bis Anfang 2016 erstreckte. Brandenburg hatte schneller reagiert und ausreichend Kapazitäten aufgebaut, in Berlin mussten viele Flüchtlinge in 60 Turnhallen und in anderen Notquartieren kampieren. Zunächst forderte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wiederholt, Brandenburg solle unbedingt helfen. Zunächst signalisierte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), sein Bundesland habe selbst genug Schwierigkeiten, alle dort ankommenden Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge anständig unterzubringen, wenngleich in Brandenburg nur sehr wenige Turnhallen für eine kurze Zeit dafür genutzt worden sind. Dann kam es doch noch zu einer Einigung der beiden Länder.

Als jedoch am 17. Oktober vergangenen Jahres die ersten elf Berliner Flüchtlinge in Wünsdorf einzogen, hatte sich die Lage bereits deutlich entspannt. Zwischenzeitlich hieß es, die Einschränkung, dass Berlin nur Flüchtlinge mit Bleibeperspektiven schicken solle, sei das Problem. Doch mittlerweile ist die Situation insgesamt eine andere. Im Moment sind nach Auskunft von Innensenator Andreas Geisel (SPD) nur noch sechs Berliner Sporthallen belegt und auch diese sollen bis zu den Osterferien freigezogen sein. Wegen der Monatspauschale von 330.000 Euro für tatsächlich nur wenige Flüchtlinge hatte es zuletzt den Vorwurf gegeben, Berlin verschwende Geld.

In Wünsdorf sind im Moment 26 Flüchtlinge aus der Hauptstadt untergebracht. Viel mehr sind es zu keinem Zeitpunkt gewesen. Im Bedarfsfall hätte Brandenburg seine eigenen Flüchtlinge nach Eisenhüttenstadt, Doberlug-Kirchhain, Ferch, Potsdam oder Frankfurt (Oder) verlegt, damit Berlin alle 995 Plätze in Wünsdorf nutzen kann.

Da aber schnell absehbar war, dass hierfür keine Notwendigkeit besteht, haben die ganze Zeit auch Flüchtlinge in Wünsdorf gelebt, für die Brandenburg zuständig ist. 559 sind es gegenwärtig. »Wir betreiben dort doch keine Unterkunft für 26 Personen«, stellte Decker klar.

Beide Seiten, die Berliner Senatssozialverwaltung und das brandenburgische Innenministerium, hätten auch die Möglichkeit, das grundsätzlich unbefristete Abkommen zum Ablauf eines Jahres zu kündigen, erläuterte Ministeriumssprecher Decker. Sechs Monate vorher müsste dies geschehen.

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