Meister des Ungefähren

Bundesregierung kann sich im Streit um Auftritte türkischer Politiker zu keiner klaren Haltung durchringen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Bundesinnenminister mimt gerne den entschlossenen Verteidiger des Rechtsstaats. Und so wandte sich Thomas de Maizière (CDU) auch gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland. »Ich will das nicht. Ein türkischer Wahlkampf in Deutschland hat hier nichts verloren«, so de Maizière im »Bericht aus Berlin«. Der Minister sieht klare rechtliche Grenzen, die ein Verbot ermöglichen würden, etwa über das Strafgesetzbuch. »Wer die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft und böswillig verächtlich macht, macht sich strafbar«, so de Maizière. Gleichzeitig wies er Forderungen aus der CSU zurück, deutsche Soldaten vom türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik abzuziehen: »Sie sind ja da nicht zum Schutz türkischer Interessen. Sondern sie sind dort zum Schutz von NATO-Interessen.«

Eben diese Interessen sind es wohl, die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bewogen, in der Debatte deutlich moderatere Töne anzuschlagen. »Der heiße Wahlkampf in den Niederlanden und um das türkische Referendum gehen vorbei, aber Europa und die Türkei werden immer benachbart bleiben«, sagte sie der »Bild«.

Kanzlerin Angela Merkel ließ auch am Montag eine klare Linie in der Sache vermissen. Zwar erklärte Merkel, die niederländische Regierung, deren Streit mit Erdogan derzeit heftig eskaliert, hätte ihre »volle Unterstützung und Solidarität«. Doch in der Frage, wie die Bundesrepublik mit den geplanten Auftritten von türkischen Regierungsvertretern umgehen sollte, hielt sie sich bedeckt.

Auch Merkels Adlatus, Kanzleramtschef Peter Altmaier, erwies sich am Montag wieder einmal als Meister des Ungefähren: »Wir werden die Situation genau beobachten, und wir behalten uns die entsprechenden Entscheidungen vor«, sagte Altmaier im RBB-Inforadio.

Allerdings bezieht auch der Koalitionspartner keine klare Position. Selbst der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, durch kein Regierungsamt an die Koalitionsdisziplin gebunden, hält sich zurück. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident plädierte für eine gemeinsame Position aller EU-Mitglieder in dem Streit. Seine eigene Position deutete er bestenfalls an: »Mein Appell an die türkische Regierung: Kümmert Euch um das Regieren Eures Landes«, so Schulz.

Während Berlin an seiner Beschwichtigungspolitik festhält, verweigerte die türkische Regierung deutschen Diplomaten den Zugang zum inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Ein Vertreter der deutschen Botschaft wollte Yücel am Montag in der U-Haft besuchen, um gute Haftbedingungen sicherzustellen, wie »Spiegel Online« meldete. Doch die türkischen Behörden erteilten dafür keine Genehmigung. Der Journalist Yücel, der als Korrespondent für die WeltN24-Gruppe tätig ist, sitzt seit dem 14. Februar im Gefängnis. Seite 5

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