Gute Lehrer

Jürgen Amendt über die Versäumnisse in der Schulreformdebatte

  • Lesedauer: 2 Min.

Von der Idee her ist es eine feine Sache: Alle Kinder lernen gemeinsam in einer Schule und dies am besten so lange wie möglich, also mindestens bis zum Ende der 10. Klasse. Eine solche Schule kennt im optimalen Fall kein Sitzenbleiben, keinen Notendruck, dafür werden Kinder individuell gefördert. Der Unterricht ist zudem nicht mehr am frontalen Lehrmeisterprinzip orientiert, sondern ermöglicht den Schülerinnen und Schülern eigene, kreative Wege zu den jeweiligen Lernzielen.

Soweit die Theorie. Die Praxis sieht leider nicht ganz so rosig aus. Dort, wo in den vergangenen zwei Jahrzehnten solche Schulen entstanden sind - z.B. in Berlin im Zuge der Einführung der Gemeinschaftsschule vor gut zehn Jahren -, sind fast alle diese Schulen in einer Hinsicht weiterhin homogen und nicht heterogen: In ihnen lernen fast ausschließlich Kinder der bildungsaffinen Mittelschichten.

Woran liegt das? Nun, bei den Strukturreformen wurde zweierlei versäumt. Zum einen hat man sich nicht frühzeitig an eine Reform der Lehrerausbildung gewagt. Gerade in den sozialen Brennpunktschulen braucht es Lehrer, die nicht nur fachdidaktisch gut ausgebildet sind, sondern die ein wesentliches Handwerkszeug des Lehrerberufes beherrschen: die Fähigkeit zur Empathie. Während diese Eigenschaft in Berufen wie dem des Sozialpädagogen oder der Erzieherin Bestandteil der Ausbildung sind, liegt der Schwerpunkt bei der Lehrerausbildung nach wie vor bei der Fachwissenschaft und -didaktik. Pädagogen müssen aber in Beziehung zu ihren Schülern gehen. Wie aber soll das gelingen, wenn den meisten Lehrern die Lebenslagen und -umstände ihrer Schüler in den sogenannten Brennpunktschulen fremd sind? Das Gros der deutschen Lehrerschaft entstammt nach wie vor der Mittelschicht, die meisten davon sind gar akademischer Herkunft.

Zum anderen hat es die Politik - in Berlin war das der rot-rote Senat Mitte der 2000er Jahre - nicht geschafft, die Strukturreform ausreichend und differenziert zu finanzieren. Schulen in sozialen Problemvierteln brauchen die besten und damit auch die bestbezahlten Lehrer. Und: Was spräche denn dagegen, Schulen in gutbürgerlichen Vierteln zu verpflichten, eine Mindestzahl von Schülern aus minderbeleumdeten Stadtteilen aufzunehmen?

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