Tropische Böden unter Verdacht

Bei höheren Temperaturen steigen die Kohlendioxidemissionen aus dem Erdreich

Nicht nur die Pflanzen atmen, sondern auch der Boden unter dem Regenwald.
Nicht nur die Pflanzen atmen, sondern auch der Boden unter dem Regenwald.

Bei einer fortschreitenden globalen Erwärmung wird auch immer mehr Kohlenstoff aus biologischen Speichern freigesetzt werden: Methan, ein potentes Treibhausgas, entweicht aus Permafrostböden, Wälder gehen in Flammen auf und damit wird der in ihnen gespeicherte Kohlenstoff zu Kohlendioxid. Wenig beleuchtet ist aber bislang, wie tropische Böden auf steigende Temperaturen reagieren, obwohl nicht nur das Holz der Tropenwälder, sondern auch ihre Böden große Mengen von Kohlenstoff enthalten. Die Ökologin Tana Wood vom International Institute of Tropical Forestry, das dem US-Department of Agriculture untersteht, spricht davon, dass ein Drittel des im Boden gebundenen Kohlenstoffs unter tropischen Wäldern zu finden ist. Und dieses könnte in einer sich aufheizenden Welt verstärkt freigesetzt werden, auch ohne Waldvernichtung.

Wood hat mit ihrem Forschungsteam in einem Freilandexperiment in Puerto Rico untersucht, wie Böden auf eine Erwärmung um bis zu vier Grad Celsius reagieren. »Die Spanne des für tropische Systeme projizierten Temperaturanstiegs liegt zwischen einem und sechs Grad Celsius innerhalb des nächsten Jahrhunderts«, erklärt Wood den gewählten Temperaturbereich. Drei Versuchsstellen in unterschiedlicher Lage am Hang wurden in dem Feldversuch mittels Infrarotheizungen erwärmt und mit drei anderen Stellen unter natürlichen Bedingungen verglichen. Dabei stellte sich heraus: Die erwärmten Bereiche atmeten zwischen 42 und 204 Prozent mehr Kohlendioxid aus als die Vergleichsbereiche, wie die Forschenden in einer Mitte September im Fachjournal »Nature Communications« veröffentlichten Studie darlegen.

Dabei sind Wood und ihr Team nicht die ersten, die das beobachten. Im ähnlichen Bodenerwärmungsversuch »SWELTR« in Panama stellte ein Forschungsteam um Andrew Nottingham fest, dass die CO2-Emissionen aus dem Boden bei einer Temperaturerhöhung um vier Grad Celsius um 55 Prozent gegenüber Vergleichsflächen stiegen. Das war dreimal so viel, wie das Team vorher in Modellen errechnet hatte. Die Temperaturveränderung führte außerdem zu einer veränderten Zusammensetzung der Bodenmikroben. Während manche Arten komplett verschwanden, konnten sich andere vermehren.

»Der beobachtete Anstieg ist gleichbedeutend mit einer großen Menge Kohlenstoff.«

Tanja Wood Ökologin

Die Beobachtungen aus Panama und Puerto Rico sind beunruhigend, verweisen aber auf noch großen Forschungsbedarf. »Die Böden tropischer Wälder haben bereits die höchsten Raten der Bodenatmung weltweit und der beobachtete Anstieg ist gleichbedeutend mit einer großen Menge Kohlenstoff«, schreibt Wood auf Anfrage des »nd«. »Die Fragt bleibt, ob die erhöhte Kohlendioxidmenge, die wir beobachten, aus dem Abbau wirklich alten Kohlenstoffs stammt, der, ähnlich wie beim Permafrost, sich bisher nicht im Kreislauf befand.« Denn dann würden zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, die die globale Erwärmung weiter ankurbeln, wie beim auftauenden Permafrost.

Es wäre aber auch vorstellbar, dass die Pflanzen mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen, erläutert Wood. Außerdem könnte die Bodenatmung im Lauf der Zeit wieder zurückgehen, wie es schon in anderen Bodenerwärmungsexperimenten geschehen sei.

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Die Daten sprächen für einen Zusammenhang zwischen den höheren Emissionen mit Veränderungen bei den Bodenmikroben, so Wood. Die Biomasse an den Kleinstlebewesen sei unter wärmeren Bedingungen um 50 Prozent größer gewesen. Möglich also, dass sich bei höherer Bodentemperatur eine Mikrobengemeinschaft mit einer Art höherem Grundumsatz etabliert hat – ähnlich Menschen, die mehr Kalorien verbrauchen als andere.

Das Experiment in Puerto Rico läuft derweil weiter. Mit Isotopenanalysen des freigesetzten Kohlenstoffs wollen die Forschenden herausfinden, ob es sich um »alten« Kohlenstoff handelt, außerdem würden die Veränderungen in der Mikrobengemeinschaft weiter untersucht, erklärt Wood, und: »Wir arbeiten daran, unsere Ergebnisse in Modelle einzubringen, sodass wir unsere Prognosekapazitäten verbessern können, ob tropische Wälder in der Zukunft zu einer Nettoquelle von Kohlendioxid werden könnten.«

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