Wo die Schamgrenze verläuft

Stendals CDU-Kreisverband will die Wahlaffäre seiner Partei zu den Akten legen

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Magdeburg. Der CDU-Kreisverband von Stendal (Sachsen-Anhalt) muss aus Sicht seines neuen Vorsitzenden, Chris Schulenburg, nach den monatelangen Diskussionen um die Wahlaffäre von 2014 zur Ruhe kommen. Der 36-Jährige plädierte für einen Schlussstrich. Es sei wichtig, jetzt nach vorn zu schauen, sagte er der »Altmark-Zeitung«. »Es kann nicht angehen, dass wir immer nur zurück blicken und uns rechtfertigen müssen.« Es sei beschämend, dass viele gute Funktionäre und Parteimitglieder immer wieder in Mithaftung genommen würden. Als beschämend hatte kurz zuvor der frühere CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer die Wahlaffäre selbst bezeichnet.

Mitte März war ein früherer CDU-Stadtrat vom Landgericht Stendal zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Wahl- und Urkundenfälschung verurteilt worden. Er hatte zugegeben, bei der Kommunalwahl 2014 in Stendal fremde Briefwahlunterlagen selbst ausgefüllt zu haben. Im Zusammenhang mit dem Wahlskandal war immer wieder heftig diskutiert worden, ob weitere CDU-Mitglieder frühzeitig von den Manipulationen wussten und versuchten, sie zu vertuschen. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages soll nun den Umfang von Manipulationen beleuchten. Besonders viele Diskussionen rankten sich um die unklare Rolle des Stendaler CDU-Stadtchefs und Landtagsabgeordneten Hardy Peter Güssau. Gegen ihn wurde nie ermittelt. Er konnte jedoch den Verdacht, frühzeitig von den Fälschungen gewusst zu haben, nicht ausräumen und war im August vorigen Jahres nach nur vier Monaten im Amt als Landtagspräsident zurückgetreten. Bei einem Kreisparteitag der lokalen Union ließ er sich wieder in den Vorstand wählen, als Schatzmeister. Das sorgte erneut für Debatten.

Der eigentlich als neuer Kreischef gesetzte Nico Schulz hatte für einen Neuanfang geworben und sich auch gegen Güssau positioniert. Er fiel durch. Stattdessen wurde als Ersatzkandidat Schulenburg mit großer Zustimmung gewählt. Der junge Landtagsabgeordnete folgt auf Wolfgang Kühnel. Der langjährige Kreischef war nach den Diskussionen um die Wahlaffäre nicht mehr angetreten.

Ex-Ministerpräsident Böhmer sagte dem MDR Sachsen-Anhalt, er traue Schulenburg den nötigen Neuanfang zu. »Aber ich weiß, dass es ein schwieriges Geschäft werden wird.« Die Wahlaffäre selbst kommentierte Böhmer auch: »Wenn das in einer anderen Partei passiert wäre, würde man sich massiv aufregen. So gucken wir ein bisschen verlegen weg, aber wir müssen zugeben, dass das im Grunde genommen beschämend ist.« dpa/nd

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