Frieden ist machbar, Herr Nachbar

Mehr als tausend Menschen nahmen am Ostermarsch teil - deutlich mehr als erwartet

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Dunkle Wolken, ein kalter Wind aus Westen und Nieselregen. Deutlicher hätte das Wetter die Stimmung vieler DemostrantInnen bezüglich der Weltlage nicht untermalen können. Vor allem der Krieg in Syrien, die steigenden NATO-Rüstungsausgaben und die Politik der USA bedrücken viele Anwesende. Sicherlich haben außerdem die beiden großen Militäraktionen der USA in den vergangenen Tagen auch den einen oder die andere motiviert, zum diesjährigen Berliner Ostermarsch unter dem Motto »Abrüsten!« durch Schöneberg zu ziehen. Der Marsch ist der Versuch der Organisatoren, raus aus der Mitte und mehr in die Bezirke zu gehen.

Atomwaffen ächten

Redner Alex Rosen von der Vereinigung der Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) malte in einer düsteren Vision die Folgen einer möglichen atomaren Konfrontation zwischen Nordkorea und den USA aus. Ein Einsatz von Atomwaffen habe weltweite Auswirkungen, so Rosen. Die Staubwolke würde die Sonne verhängen und die globale Temperatur absinken lassen. »Eine Million Menschen wären vom Hungertod betroffen.« Atomwaffen seien nach wie vor, im Gegensatz zu Chemie- und Biowaffen, weltweit nicht geächtet, obwohl sie die gefährlichsten aller Waffen seien. Rosen kritisierte die Bundesregierung scharf, da sie, wie auch die USA, Russland und die meisten NATO-Staaten, die Aufnahme von UN-Verhandlungen zur Ächtung von Atomwaffen boykottiere.

Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne »Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel«, sagte: »Wie wunderbar wäre es, wenn wenigstens wir in Deutschland sagen könnten: Wir haben gelernt aus den fatalen Folgen zweier Weltkriege, die von deutschem Boden ausgegangen sind.« Doch das Gegenteil sei der Fall. Grässlin: »Allein durch Kugeln aus dem Lauf von ›Heckler & Koch‹-Waffen haben bisher mehr als zwei Millionen Menschen ihr Leben verloren, weitaus mehr wurden verstümmelt und verkrüppelt.« Unter SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sei sogar ein Allzeithoch für Rüstungsexportgenehmigungen mit rund 12,8 Milliarden Euro erreicht worden.

Kiezspaziergang

In Anmutung eines Kiezspazierganges marschieren die Friedensaktivisten ausgehend vom Kaiser-Wilhelm-Platz, auf dem an der Gedenktafel für die Opfer der deutschen Konzentrationslager Blumen niedergelegt werden, durch Schöneberg. Immer wieder ergeben sich an den Rändern der Demonstration Gespräche mit Anwohnern oder Geschäftsinhabern. Offensichtlich nehmen tatsächlich viele Menschen aus dem Kiez am Ostermarsch teil - ganz so, wie von den Veranstaltern erhofft.

Mehrere bunte Friedensfahnen wehen über den Köpfen. Auf Transparenten stehen Slogans wie: »Ami go home«, »Wer Waffen säht, erntet Flüchtlinge« und »Kein Krieg - nirgends«. Gleich auf mehreren Transparenten sind die Militärausgaben der NATO denen Russlands gegenübergestellt. Demnach übersteigen die Militärausgaben der NATO die Russlands um das Zehnfache. In Sprechchören fordern viele Teilnehmer des Ostermarsches dementsprechend auch: »Frieden mit Russland, raus aus der NATO!«. Man solle auch den Kulturaustausch mit Russland fördern, sagt eine Demonstrantin.

Regenschirm-Kunst

Die Aktionskünstlerin Ute Bella Donner trägt einen auffälligen bunten Schirm mit Peace-Zeichen und Imagine-Schriftzug in der Hand. Mit der Aktion »Umbrella Peace Art« unterstützt sie nicht nur den Ostermarsch mit bunt bemalten Regenschirmen, sondern auch Flüchtlingsproteste. Daneben engagiert sie sich gegen die Tagebaue in der Lausitz. Sie beschreibt ihre Motivation, am Ostermarsch teilzunehmen, so: »In den 80er Jahren dachte ich, es kann nicht schlimmer kommen. Damals hätte ich mir nicht denken lassen, dass man in Deutschland darüber nachdenkt, Atomwaffen anzuschaffen.« Besonders entsetzt ist sie auch über die kürzlich abgeworfene Superbombe (Mutter der Bomben) durch die USA: »Eine Mutter gibt doch Leben und nimmt es nicht.« Als der Lautsprecherwagen das Lied Imagine von John Lennon spielt, zieht es sie zum Tanzen. »Wir sind immer noch da! Und wir werden da sein, solange es Militär gibt«, sagt sie im Gehen.

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