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Betriebsrat kann Kündigung gegen Chefwillen verlangen

Urteile im Überblick

  • Lesedauer: 4 Min.

So urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am 28. März 2017 (Az. 2 AZR 551/16). Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen kann der Betriebsrat die »Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer« verlangen. Gemeint sind Beschäftigte, die sich gesetzeswidrig verhalten und damit den Betriebsfrieden gestört haben. Insbesondere gilt dies bei »rassistischen oder fremdenfeindlichen Betätigungen«. Weigert sich ein Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis trotz einer rechtskräftigen Arbeitsgerichtsentscheidung zu kündigen, droht ihm laut Gesetz ein Zwangsgeld von bis zu 250 Euro täglich.

Im entschiedenen Fall hatte der Betriebsrat eines Versicherungskonzerns verlangt, dass die Klägerin, eine langjährig beschäftigte Sachbearbeiterin, entlassen wird. Die Frau war wiederholt gegenüber Kollegen handgreiflich geworden. Der Arbeitgeber wollte der Frau zunächst nicht kündigen. Stattdessen wurde sie zweimal abgemahnt. Auf Antrag des Betriebsrats bestätigte das Arbeitsgericht Düsseldorf rechtskräftig, dass der Betriebsrat die Kündigung wegen der strafbaren Handgreiflichkeiten verlangen kann.

Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich. Dagegen erhob die Frau Kündigungsschutzklage. Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass die ordentliche Kündigung rechtmäßig sei. Mit der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts habe ein »dringendes betriebliches Erfordernis« zur ordentlichen, nicht aber fristlosen Kündigung vorgelegen. epd/nd

Arbeitgeber muss der Kündigung zustimmen

Haben Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung beschlossen und eine Lebensversicherung abgeschlossen, können sie diese nicht immer einseitig kündigen. Muss der Arbeitgeber der Kündigung zustimmen, kann er auch ablehnen.

Darauf verweist die AG Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins und bezieht sich auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (Az. 9 Sa 14/16).

Ein Mitarbeiter hatte mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung über eine Direktversicherung als Lebensversicherung abgeschlossen. Ende 2009 wurde der Vertrag ruhend gestellt. Ende 2014 betrug der Rückkaufwert rund 6400 Euro. Als der Mann in eine finanzielle Notlage geriet, kündigte er den Versicherungsvertrag. Die Versicherungsgesellschaft bat den Arbeitgeber um Mitteilung, ob er der Kündigung zustimmt. Das tat er nicht. Daraufhin klagte der Arbeitnehmer - aber ohne Erfolg. dpa/nd

Anspruch aus fehlerhaft durchgeführtem Abfindungsprogramm?

Wird in einer Betriebsvereinbarung die Auswahl von Interessierten für ein freiwilliges Abfindungsprogramm vereinbart, ist für die Änderung dieser Vereinbarung die Schriftform erforderlich. Betroffene können bei einem fehlerhaft durchgeführten Programm möglicherweise Anspruch auf Teilnahme an dem Programm haben.

Das entschied das Landsarbeitsgericht Hannover am 27. Juni 2016 (Az. 1 Sa 1019/15) nach Information der Deutschen Anwaltauskunft (DAV).

Der Konzernbetriebsrat und der Arbeitgeber schlossen im Rahmen einer Sanierung eine Betriebsvereinbarung über ein sogenanntes offenes Abfindungsprogramm ab. Es stellte den Abschluss von lukrativen Aufhebungsverträgen in Aussicht, wobei es allerdings auf eine bestimmte Anzahl begrenzt war. Die Auswahl sollte anhand des Eingangs der Anträge erfolgen. In der Betriebsvereinbarung war festgelegt, dass sich die interessierten Arbeitnehmer per E-Mail bei einer externen Stelle melden sollten. Da es dort zu technischen Problemen kam, schlug der Arbeitgeber daraufhin ein geändertes Verfahren vor. Danach sollte eine Anmeldung auf einer eigens dafür programmierten Homepage erfolgen. Der Konzernbetriebsrat übermittelte seine Zustimmung dazu lediglich per E-Mail.

Bei der Durchführung des geänderten Verfahrens traten erneut technische Schwierigkeiten auf. Nach erfolglosen Zugriffsversuchen brach der spätere Kläger seine Versuche ab. Nunmehr klagte er auf Abschluss des lukrativen Aufhebungsvertrags, blieb aber in zwei Instanzen erfolglos.

Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt eine Anmeldung auf der vorgesehenen Homepage durchgeführt, sondern nach erfolglosen Versuchen abgebrochen. Daher könne er nicht verlangen, so behandelt zu werden, als sei seine Anmeldung rechtzeitig auf der Homepage eingegangen.

Nach Auffassung des Gerichts lag aber eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers vor. Er habe bei der Änderung der Betriebsvereinbarung nicht dem Schriftformerfordernis entsprochen. Auch Änderungen von Betriebsvereinbarungen müssten beide Seiten schriftlich bestätigen. Lediglich eine E-Mail vom Konzernbetriebsrat reiche nicht aus. Grundsätzlich könnten dadurch Schadenersatzansprüche entstehen, da die Durchführung des Auswahlverfahrens nicht wie ursprünglich in der Betriebsvereinbarung vorgesehen erfolgte.

Dies wirke sich hier aber nicht negativ aus. Es habe von Anfang an festgestanden, dass nur eine kleine Anzahl in den Genuss eines solchen Aufhebungsvertrags kommen würden. Ob der Kläger auch bei einer Durchführung mit den ursprünglich festgelegten Modalitäten zum Zuge gekommen wäre, sei offen. Daher scheide sein Anspruch aus. DAV/nd

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