Schwamm drüber!

Schwerin: In der Affäre um einen minderjährigen Polizeispitzel wird die Aufklärung blockiert

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Gefängnis erinnert sich ein 29 Jahre junger Mann aus Mecklenburg-Vorpommern zurzeit wohl oft daran, wie sein Kontakt zum kriminellen Milieu begann: mit seiner Arbeit als Spitzel der Polizei, die ihn schon als 15-Jährigen angeworben haben soll. War es die dann folgende zehnjährige verdeckte Arbeit, die ihn durch die Verbindung zu Rechtsbrechern selbst auf die schiefe Bahn und wegen Betruges in die Zelle brachte? Nicht nur zu dieser Frage möchte der Inhaftierte im Innenausschuss des Schweriner Landtages Stellung nehmen. Doch Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) will das offensichtlich verhindern.

Im März hatte der Rechtsanwalt des Verurteilten, Peter-Michael Diestel, der Polizei in Rostock vorgeworfen, sie habe seinen Mandanten missbraucht, indem sie ihn schon als Jugendlichen in ihre Dienste einspannte. Anfangs für Informationen aus der Drogenszene, später aus dem kriminellen Rockermilieu. Das sei nicht nur moralisch verwerflich , sondern auch rechtswidrig. Sofort reagierten die Ordnungshüter: »Zu keiner Zeit« habe sie einen Minderjährigen als V-Mann eingesetzt. Und das Innenministerium schob hinterher: Jugendliche dürften der Polizei zwar nicht als V-Leute dienen, durchaus aber als als Informanten.

Die Politik müsse sich der Sache annehmen, befand die Linksfraktion im Schweriner Landtag - und so befasste sich dessen Innenausschuss vor Wochen mit den Vorwürfen. Er hörte von Innenstaatssekretär Thomas Lenz: Nur drei Mal und erst als 16-Jähriger habe der Jugendliche Kontakte mit der Polizei gehabt. Und erst mit 18 Jahren habe er dann als V-Mann gearbeitet, und zwar auf eigenen Wunsch. Den Vorwurf, der Spitzel habe bei Aktionen gegen den G8-Gipfel linke Landtagsabgeordnete ausspioniert, wies Lenz zurück.

Es müsse eine neue Sitzung des Innenausschusses geben, fordert nun die Linksfraktion. Und dabei solle auch der junge Mann selbst zu Wort kommen. Das aber will Innenminister Lorenz Caffier (CDU) offenbar verhindern, sagte Peter Ritter, Innenexperte der LINKEN, im Gespräch mit »nd«. Der Minister habe der Fraktion zu bedenken gegeben, dass der ehemalige V-Mann nach wie vor der Verschwiegenheitspflicht unterliege und durch Aussagen im Ausschuss sich und andere womöglich gefährde.

Vermutlich aber wolle Caffier nur den Deckel auf der Sache halten, meint Ritter. Des Ministers Argumente überzeugten nicht, denn: Zum einen könnte die Polizei dem ehemaligen V-Mann eine Aussagegenehmigung erteilen, zum anderen tage der Innenausschuss des Landtags nicht öffentlich, so dass wohl kaum etwas Vertrauliches nach draußen gelange.

»Was uns der Staatssekretär aus den Akten berichtet hat, das könnten gefilterte Informationen sein«, befürchtet Peter Ritter. Die Fraktion möchte mehr erfahren, deshalb möge zur Ausschusssitzung auch der Inhaftierte eingeladen werden. Die Politik habe Verantwortung für ihn, müsse ihm Hilfe angedeihen lassen. Deshalb dränge die LINKE darauf, mehr Licht in die Entwicklungsgeschichte des Mannes zu bringen. Ein weiteres Ziel der Fraktion sei es, dass Jugendliche künftig grundsätzlich nicht als Spitzel eingesetzt werden dürfen - weder als V-Mann noch als »Informant«.

Ob der ehemalige Informant im Innenausschuss zu Wort kommen darf, entscheidet die Mehrheit jenes Gremiums. Und die liegt bei der regierenden SPD/CDU-Koalition. »Ich nehme an, dass Caffier sie triezen wird, unseren Wunsch abzulehnen«, argwöhnt Peter Ritter.

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