Geringverdiener werden an Stadtrand gedrängt

Hamburger Schüler haben mehr als 6000 Inserate in öffentlichen Wohnungsbörsen ausgewertet

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Neuvertragsmieten in der Hansestadt steigen weiter, mit 1,83 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aber nur verhalten. In einigen Stadtteilen kam es allerdings zu drastischen Steigerungen: Fuhlsbüttel (22,2 Prozent), Hafencity (19,4 Prozent) und Steilshoop (16,4). Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die von Oberstufenschülern des Hamburger Gymnasiums Ohmoor erstellt wurde.

Dass der Anstieg bei neu vermieteten Wohnungen nur knapp über der allgemeinen Preissteigerungsrate (1,6 Prozent) im gleichen Zeitraum liegt, dürfte Hamburgs Mieter aber kaum beruhigen, wie die absoluten Zahlen verdeutlichen. Wer heute auf dem freien Markt eine Wohnung anmietet, muss bei durchschnittlich 12,68 Euro pro Quadratmeter tief in die Tasche greifen. Dazu kommen noch Nebenkosten! Seit 2006 hat sich Nettokaltmiete von 8,61 auf fast 13 Euro um rund 50 Prozent erhöht. »Die Mieten sind in diesem Zeitraum drei Mal so schnell gestiegen wie allgemeinen Lebenshaltungskosten«, rechnete Mietervereins-Vorsitzender Siegmund Chychla vor.

Die Schüler des Wahlkurses Geografie haben von Ende Januar bis Anfang April mehr als 6000 Inserate mit freien Wohnungen in öffentlichen Wohnungsbörsen auf der Basis wissenschaftlicher Methoden ausgewertet. Die meisten Angebote fanden sie beim Internetportal Immonet. Herangezogen wurden auch ImmoScout24 oder wohnungsboerse.net. »Dort haben wir eine genügende Datengrundlage für die Erstellung unserer Untersuchung gefunden«, sagte der Geografielehrer Carl-Jürgen Bautsch, der sich mit seinen Schülern seit drei Jahrzehnten mit »städtischen Strukturen« beschäftigt und die Studie 1986 erstmals erstellen ließ.

Auch in diesem Jahr lieferten die Nachwuchsgeografen interessantes Zahlenmaterial. Sie haben ermittelt, dass die durchschnittliche Wohnung innerhalb der Großstadt 1062 Euro netto kalt kostet und Mieter in den Edel-Stadtteilen Hafencity, Rotherbaum und Harvestehude 17 Euro pro Quadratmeter bei Abschluss eines neuen Mietvertrags zahlen. Preisgünstiger wohnt man im Hamburger Umland, vor allem im Landkreis Stade. Dort zahlen Mieter im Schnitt 7,80 Euro (plus 3,8 Prozent). Am teuersten ist der Landkreis Stormarn (9,49 Euro, plus 4,6 Prozent), gefolgt vom Landkreis Pinneberg (8,81 Euro, plus 0,3 Prozent).

In Hamburg selbst kosten Wohnungen in Randlage am wenigsten. In Farmsen, Rahlstedt und Schnelsen sind Wohnungen noch für unter elf Euro pro Quadratmeter zu haben. Auffallend ist, dass große Wohnungen ab vier Zimmer rar sind und vor allem in ohnehin schon teuren Stadtteilen wie Blankenese oder Harvestehude angeboten werden. Das heißt im Umkehrschluss: Geringverdiener mit Kindern werden an den Stadtrand verdrängt. Oder wie es ein Schüler bei der Präsentation ausdrückte: »Die Segregation verstärkt sich. Die Vielfalt in angesagten Stadtteilen schwindet.«

Der Mieterverein sprach von einem »alarmierenden Preisanstieg« und forderte Nachbesserungen bei der Mietpreisbremse, die von den Vermietern nicht ernst genommen werde. Dagegen versuchte die Wohnungswirtschaft zu beschwichtigen. »Es gibt keinen Grund zur Panik, die Steigerung ist moderat«, sagte Ulf Schelenz vom Grundeigentümerverband. Peter-Georg Wagner vom Immobilienverband Deutschland (IVD) schätzt die Lage auf dem Mietmarkt ähnlich ein. Er verweist auf den Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA, bei deren Wohnungsneuvermietungen nur 7,30 Euro pro Quadratmeter verlangt würden. Nun ja, konterte Mietervereinschef Chychla: »Die SAGA hat aber auch eine Warteliste mit 40 000 Wohnungssuchenden und muss darüber hinaus viele Flüchtlinge mit Wohnraum versorgen.«

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