Wenn Behörden wursteln

Am A9-Parkplatz Rodaborn versperrt ein Zaun den Weg zum Imbiss - doch der Verkauf läuft

  • Andreas Hummel, Rodaborn
  • Lesedauer: 3 Min.

Christina Wagner steht trotzig am Grill. Noch immer. Ein Jahr ist es her, dass Verwaltungsrichter Deutschlands älteste Autobahnraststätte aufsuchten, um in einem bizarren Streit zu urteilen. Der hat es bis in die TV-Satiresendung »Extra 3« gebracht. Denn Autofahrern, die am Parkplatz Rodaborn an der A9 (Berlin-München) Rast machen, versperrt ein zwei Meter hoher Zaun den Weg zu Wagners Imbiss. Aus Trotz steigt sie auf eine Leiter und verkauft Bratwürste und Kaffee einfach über den Zaun hinweg. Die Behörden haben diese Praxis untersagt.

Weil sich Wagner nicht fügte, landete der Fall vor Gericht. Auch da erlitt sie eine Niederlage. Die Zaun-Rebellin verkauft trotzdem munter weiter Kaffee und Thüringer Bratwürste. Wie es ihr ein Jahr nach dem Urteil geht? »Es muss«, sagt sie. Schon ruft ein Mann gegen den Lärm der Autobahn an: »Zwei Bratwürste!« »Senf?«, ruft sie zurück. »Ja, bitte!«

So wiederholt es sich zigmal am Tag. Wagner packt die Würste in ein Körbchen, läuft einige Meter bis zum Zaun, steigt auf die Leiter und reicht den Korb hinüber. »Manchmal rufen Reisebusse extra an, dass sie in einer Stunde da sind«, erzählt Wagner, als sie wieder am Grill steht. »Ich bekomme viel Zuspruch von Leuten, die sagen: Geben Sie nicht auf!« Ihr Kampf gegen die Behörden hat dem Imbiss inzwischen zu einiger Bekanntheit verholfen. Der Spaß sei ihr aber längst vergangen, sagt sie. »Es geht um meine Existenz und die meiner Familie.«

Wagner hat mit ihrem Mann vom Bund die historische Raststätte gekauft, die allerdings keine Konzession hat. Ihr sei zugesichert worden, dass es zumindest vom Parkplatz in Fahrtrichtung Berlin einen Zugang gebe, sagt sie. Doch auf beiden Seiten der A9 sind die Parkplätze mit hohen Zäunen abgeriegelt, die Tore darin verschlossen. Wer auf normalem Weg eine Bratwurst kaufen will, muss von der Autobahn einen erheblichen Umweg über Gewerbestraßen auf sich nehmen. So geben viele Autofahrer ihre Bestellung lieber am Zaun auf. Doch beim Verkauf am Zaun handle es sich um eine »erlaubnispflichtige Sondernutzung«, entschied die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Gera am 3. Mai 2016. Und eine Konzession dafür hat Wagner nicht.

Eine Öffnung des Zauns - wie von ihr immer wieder auch aus Sicherheitsgründen angeregt - lehnte das Gericht ab, weil dies enorme Haftungsrisiken berge. Etwa wenn dadurch Tiere auf die Autobahn gelangen und Unfälle verursachen.

Die Sondernutzung hat Wagner inzwischen beantragt, aber eine Abfuhr erhalten. Es werde am Standort Rodaborn kein Bedarf zur Versorgung gesehen, erklärt das Landesamt für Bau und Verkehr zur Begründung. »Die Versorgung erfolgt über die vorhandenen bewirtschafteten Rastanlagen.«

Wagner kann bislang trotzdem weiter Bratwürste über den Zaun verkaufen. Denn das Urteil der Geraer Richter ist noch nicht rechtskräftig. Vielmehr muss das Oberverwaltungsgericht in Weimar klären, ob die Berufung zugelassen wird. Eine Entscheidung sei im Laufe des Monats zu erwarten, erklärte ein Sprecher. Auch gegen die Ablehnung einer Sondernutzung ist sie in Widerspruch gegangen. Hierzu stehe eine Entscheidung aus, heißt es beim Landesamt.

Die Zaun-Rebellin fühlt sich betrogen - reingelegt von der Bundesregierung. Immerhin habe ihr der Bund die Raststätte einst verkauft und sie sei guten Glaubens hierher gezogen. »Ich habe angeboten, den Kauf rückgängig zu machen - aber das wollen die ja auch nicht.« So verkauft sie trotzig weiter. »Notfalls lasse ich mich hier abführen«, sagt sie und eilt mit ihrem Korb samt Bratwürsten erneut zum Zaun, wo der nächste hungrige Autofahrer wartet. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal