Teurer Traktor, armer Bauer

Innovation ist zentrales Thema auf der Landwirtschaftsmesse Agra in Leipzig

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Riesige, blank polierte Traktoren; mit Computern vollgestopfte Mähdrescher; intelligente Geräte zum Düngen und Ernten: Die Landwirtschaftsschau Agra, deren aktueller Durchgang mit fast 1200 Ausstellern am Donnerstag eröffnet wurde und bei der erneut rund 50 000 Besucher erwartet werden, ist auch eine gigantische Technikschau. Die Maschinen belegen, dass die moderne Landwirtschaft eine der am höchsten technisierten Branchen ist. In jedem Arbeitsplatz steckt eine halbe Million Euro an Kapital. Zum Vergleich: In Industrie und Gewerbe sind es nur 300 000 Euro.

Das Problem ist freilich: Trotz immens hoher Investitionen wird in den Agrarbetrieben zu wenig verdient. Die Landwirtschaft »ist die Branche mit den geringsten Einkommen«, sagt Dieter Künstling von der Beratungsfirma IAK Agrarconsulting GmbH. Facharbeiter verdienen pro Jahr weniger als 25 000 Euro. Zwar haben drei von fünf Beschäftigten einen höheren Abschluss. Doch auch Hochschulabsolventen kommen nur auf Einstiegsgehälter von 2500 Euro im Monat. Höhere Löhne lässt die wirtschaftliche Lage vielfach nicht zu.

Zwar glaubt Sachsens Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) eine gewisse Erholung selbst bei den Milchbauern zu erkennen: »Das tiefe Tal ist durchschritten«, sagt er und verweist auf Angaben von Händlern für Agrartechnik, die eine gestiegene Bereitschaft zu Investitionen erkennen und diese als Indiz für eine aufgehellte Stimmung deuten. In der Branche selbst aber will man von einem Ende der Durststrecke nichts wissen. »Es geht uns noch lange nicht gut«, sagt Wolfgang Vogel, Präsident des Sächsischen Bauernverbandes. Der Milchpreis decke mit aktuell 30,5 Cent je Liter noch immer nicht die Kosten; und auch bei Fleisch und Getreide bleibe die Lage schwierig.

Auf der Messe wird ein möglicher Ausweg präsentiert: noch mehr und bessere Technik. Es gehe darum, die »Wertschöpfung in den Betrieben zu erhöhen«, sagt Künstling. In diesem Jahr gibt es auf der Messe deshalb erstmals ein »Zentrum für Innovationen«, in dem sich 45 Forschungseinrichtungen und Firmen präsentieren. Sie zeigen Lösungen dafür, wie Dünger sparsamer eingesetzt, Krankheiten bei Tieren früher erkannt oder Felder schonender bearbeitet werden können. Die Agra wird damit ihrem früheren Ruf als »Universität im Grünen« gerecht, sagt Minister Schmidt und fügt an, man müsse auf »neue Herausforderungen mit intelligenten Lösungen« antworten.

Allerdings ist klar, dass die nächstliegende Antwort auf die Einnahmeprobleme nicht Innovation wäre, sondern höhere Preise. Lebensmittel seien in Deutschland so billig wie in keinem anderen Land in Europa, sagt Künstling. Um die Situation zu verbessern, hoffen die Landwirte auf Hilfe der Politik. Diese solle beispielsweise das Kartellrecht nutzen, um »dem Einzelhandel auf die Finger zu klopfen«, sagte Vogel auf Nachfrage des »nd«. Dieser dürfe Produkte nicht unter dem Einkaufspreis anbieten. Vogel forderte außerdem ein Ende der Sanktionen gegenüber Russland. Sie hätten ein Sinken des Milchpreises um vier Cent zur Folge gehabt.

Die Politik spielt den Ball zurück: Um künftige Milchkrisen abzumildern, komme es auf bessere Vermarktungsketten und eine bessere »Vertragsgestaltung« an, sagt CDU-Minister Schmidt. Branchenkenner verweisen darauf, dass 60 Prozent der in Deutschland produzierten Milch von genossenschaftlichen Molkereien vermarktet werden, deren Eigentümer Landwirte sind. Diese hätten damit erhebliche Verhandlungsmacht gegenüber dem Handel, sagt Künstling und fügt hinzu: »Die Bauern müssen ihre Interessen besser durchsetzen.«

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