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Immer wieder neue Opfergruppen

Designierte Stasi-Landesbeauftragte Maria Nooke stellte sich in der Linksfraktion vor

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Die designierte Stasi-Landesbeauftragte Maria Nooke betrachtet Zeitzeugengespräche als »zentralen Punkt«, um der jüngeren Generation die DDR-Geschichte zu vermitteln. Dabei müsse man allerdings »vorsichtig sein«, sagte sie am Dienstag, als sie sich in der Linksfraktion des Landtags vorstellte. Das eigene Erleben decke sich nicht in jedem Fall mit den Ergebnissen der historischen Forschung. Nooke trat dafür ein, Zeitzeugengespräche grundsätzlich zu moderieren, um Nachfragen den Weg zu ebnen. Es gehe nicht darum, Zeitzeugen die Glaubwürdigkeit abzusprechen, aber umzugehen sei mit der Tatsache, dass Kinder oder Jugendliche gegenüber dem Gehörten sprachlos seien, jedoch »zuhause etwas ganz anderes hören«. Aufarbeitung verstehe sie nicht so, dass es nur eine einzige politische oder historische Sichtweise geben könne, die vermittelt werden müsse.

Vor einigen Tagen hat die bisherige Stasi-Landesbeauftragte Ulrike Poppe ihren vorzeitigen Rücktritt bekanntgegeben und Maria Nooke als ihre Nachfolgerin vorgeschlagen.

Einzig SPD-Fraktionschef Mike Bischoff fand eine solche Nachfolgeregelung per Vorschlag der Vorgängerin »ungewöhnlich«, doch stimmte er in das Lob auf den »guten Vorschlag« ein. Linksfraktionschef Ralf Christoffers sagte, es sei »schließlich niemand gezwungen, einem Vorschlag zu folgen«. Doch signalisierte Christoffers nach der Vorstellung von Maria Nooke in der Linksfraktion Unterstützung für ihre Kandidatur zu. »Ich gehe davon aus, dass man sich auf sie verständigen wird«, sagte er.

Nooke stellte sich den Abgeordneten vor als Pfarrerstochter, die in der DDR eine Berufsausbildung mit Abitur absolvierte und sich bewusst gegen ein Studium und für eine Ausbildung in der kirchlichen Erziehung entschieden habe. Sie habe den Alltag in einem volkseigenen Betrieb kennengelernt, am Band gearbeitet und auch als Viehpflegerin. »Ich nehme für mich in Anspruch, das Leben in der DDR gut zu kennen.«

Korrekt und offiziell wird die Stasi-Landesbeauftragte in Brandenburg als Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur tituliert. Der Posten wurde 2010 samt Mitarbeiterstab geschaffen und seither ständig ausgebaut und finanziell großzügig ausgestattet.

Auf Nachfrage, welche Rolle ihrer Auffassung nach die Versöhnung 28 Jahre nach der Wende in Brandenburg spielen sollte, sagte Nooke, Voraussetzung dafür sei, dass »die Fakten auf dem Tisch« liegen. Sie kenne niemanden unter den einstigen Inoffiziellen Mitarbeitern des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, der von allein und offen auf einst von ihm ausgespähte Menschen zugegangen wäre. Es sei »extrem schwierig«, sich zu versöhnen, wenn die eine Seite nicht bereit sei, den Tatsachen ins Gesicht zu schauen.

Dem zurückgetretenen Berliner Staatssekretär Andrej Holm warf Nooke vor, nicht von Anfang an offen mit seiner MfS-Tätigkeit umgegangen zu sein. Auf den Vorwurf, dass deshalb seine Glaubwürdigkeit in Frage stehe, habe er »sehr unsouverän« reagiert. Was an Fakten in den Akten über ihn bekannt geworden sei, das sei nicht schwerwiegend gewesen. Mit Blick auf den zeitlichen Abstand könne man davon ausgehen, dass in der Diskussion »zu größerer Gelassenheit« gefunden werden könne, vermutete Nooke noch.

Auch wenn man meinen könnte, dass dies nach so vielen Jahren erledigt sei, die Aufklärung über die DDR-Geschichte gelte es weiterzuführen, unterstrich die Bewerberin. Sie wolle, wie auch ihre Maßstäbe setzende Vorgängerin Poppe, Ansprechpartnerin sein für Menschen, die in der DDR Unrecht erfahren haben. Also für die »Opfer«, wobei der Begriff umstritten sei auch innerhalb der Opferverbände, fügte sie hinzu. Zu merken sei, dass »immer wieder neue Opfergruppen Thema werden«. Nooke nannte dann aber doch eher die bekannten Gruppen: Internierte der sowjetischen Speziallager, Heimkinder, Insassen von Jugendwerkhöfen, Dopingopfer. Es habe sehr unterschiedliche Erfahrungen mit dem Leben in der DDR gegeben, räumte sie ein. Eine kontroverse Debatte sei besser als Schweigen und Verdrängen.

Maria Nooke ist verheiratet mit dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Günter Nooke, seines Zeichens mittlerweile persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin. 1990 war Günter Nooke für die Bürgerbewegung Bündnis '90 in die letzte Volkskammer der DDR eingezogen.

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