Aussicht auf Politik des Sonnenscheins

In Südkorea könnte der neue linksliberale Präsident Moon einen Ausgleich mit dem Norden suchen

  • Felix Lill, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.

Moon Jae In muss gleich an die Arbeit. Keine Übergangsperiode, keine Zeit für lange Gespräche mit der Opposition. Schließlich wandert seine Amtsvorgängerin gerade ins Gefängnis. Der Posten des Präsidenten musste schnellstmöglich neu besetzt werden. »Ich werde eine Regierung schaffen, die gefürchtet ist in Nordkorea, vertraut in den USA und zuverlässig in China«, rief der ehemalige Menschenrechtsanwalt die letzten Wochen in die Mikrofone. Am Dienstag errang der Kandidat der Demokratischen Partei mit diesen Versprechen einen komfortablen Sieg von 41 Prozent. Moon könnte für Südkorea eine politische Wende bringen.

So schwierig es für den Sieger auch werden mag, alle Probleme zu meistern - eine Krise scheint zunächst schon durch die bloße Übernahme des Präsidentenamtes durch Moon Jae In überwunden. Inmitten monatelanger Demonstrationen und einem mit Atomschlägen drohenden nördlichen Nachbarn lief die Amtsenthebung der Ex-Präsidentin Park Geun Hye gründlich ab und die Neuwahl friedlich.

Das auffälligste Thema war schon im Wahlkampf der Umgang mit Nordkorea. Nach diversen Atomtests durch den nordkoreanischen Regenten Kim Jong Un könnten die zwischenkoreanischen Beziehungen derzeit kaum schlechter sein. Dennoch hat Moon für eine Wiederaufnahme der Sonnenscheinpolitik plädiert, mit der sein liberaler Amtsvorgänger und Mentor Roh Moo Hyun im vergangenen Jahrzehnt den Austausch mit dem damaligen Regenten Kim Jong Il suchte. Allerdings ist dessen Nachfolger Kim Jong Un wesentlich aggressiver, was die Sache zu einem Balanceakt machen dürfte.

US-Präsident Donald Trump etwa ist durch die Drohgebärden Kims so nervös geworden, dass er im partnerschaftlich verbundenen Südkorea ein Raketenabwehrsystem installieren ließ. Nordkorea warnte Trump zuletzt vor einem »großen, großen Konflikt«.

Moon Jae In allerdings will das Raketensystem am liebsten wieder demontieren. Einerseits, weil Trump fordert, Südkorea solle für die Kosten aufkommen, andererseits aber auch im Interesse einer neuen Verständigungspolitik mit dem Norden. So hat Moon im Wahlkampf auch angekündigt, er würde vor einem Besuch Washingtons eine Reise nach Pjöngjang antreten. Allein diese Aussicht dürfte die Verbindung zu den USA, die für das ökonomisch kränkelnde Südkorea auch ein wichtiger Handelspartner sind, allerdings nicht vertrauter machen.

Nach Lee Myung Bak und Park Geun Hye wird mit Moon Jae In nach neun Jahren rechtskonservativer Regentschaft wieder ein liberaler Präsident regieren. Da Park in einen Korruptionsskandal verwickelt ist, wurde sie ihres Amtes enthoben. Dass Südkoreas Eliten politisch und geschäftlich allzu häufig in Korruption verwickelt sind, ist schon fast eine traurige Gewissheit. Jeder Präsident seit der Liberalisierung Südkoreas in den 1980er Jahren sah sich mit harten Vorwürfen konfrontiert.

Auch in diesem Wahlkampf kehrte das Bild wieder. Über Moon Jae In hieß es, er habe seinem Sohn illegal einen Job beim Staat verschafft. Die Tochter des Mitte-Kandidaten Ahn Cheol Soo wiederum soll die US-Staatsbürgerschaft angenommen haben, um Steuern zu sparen. Selbst wenn einige Vorwürfe überzogen sein sollten, halten das viele Beobachter für denkbar.

Dennoch lag die Wahlbeteiligung bei beachtlichen knapp 80 Prozent. Denn es steht viel auf dem Spiel. Südkoreas Wirtschaft sieht derzeit nicht nur wegen der Korruptionsaffären schlecht aus. Einkommen gehen auseinander und die Jugendarbeitslosigkeit liegt mit zehn Prozent historisch hoch. Koreanische Unternehmen fürchten die meist billigere Konkurrenz aus China. Moon Jae Ins Wahlprogramm war in dieser Hinsicht jedoch keine Offenbarung. Nur vage war von »höheren Steuern für Reiche« und »höheren Strafzahlungen für unfaire Geschäfte« die Rede.

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