Aufklärung und Anti-Aufklärung
Ellen Wesemüller über gestiegene Gewalt an Lesben und Schwulen
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob die gestiegenen Fälle von Homo- und Transphobie in Berlin nun dem Umstand geschuldet sind, dass es ein größeres Bewusstsein oder den Mut dazu gibt, diese Fälle anzuzeigen. Oder eben dem Umstand, dass es tatsächlich mehr Fälle geworden sind. Denn bei einer Dunkelziffer von 80 bis 90 Prozent kann sowieso nur sehr ungenau über die tatsächliche Zahl spekuliert werden. Zumal sich die Straftaten zwischen Opferberatung und Polizei um mehr als das Doppelte unterscheiden.
Unabhängig von dieser Frage muss alarmieren, dass die Zahlen gestiegen sind. Ein Zusammenhang zu gestiegenen Angriffen gegen linke Aktivisten und Geflüchtete in Berlin liegt nahe, auch, wenn es nicht unbedingt dieselbe Tätergruppe ist. Es spricht für ein gesellschaftliches Klima, das ins Antiemanzipatorische gekippt ist. Nicht zuletzt bestätigt sich der Trend auch bundesweit: So hatte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck im Dezember die homophoben Straftaten für ganz Deutschland angefragt - sie waren im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent gestiegen.
Warum sich die Zahlen von Opferberatungsstelle, Polizei und Bundesstatistik so unterscheiden, ist erklärbar. Es ist auch für Opfer unangenehm, intim und nicht selten demütigend, eine solche Gewalttat zur Anzeige zu bringen. Entsprechende Anzeigen werden nicht immer unter Hasskriminalität verbucht. Ist der Polizist ungeschult oder nicht gewillt, ordnet er eine homophobe Attacke lediglich als Beleidigung ein.
Letztendlich kann es eben auch beides geben: Eine stärkere Aufklärung über Homophobie und ein stärkerer Kampf gegen dieselbe.
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