NRW: SPD schließt Große Koalition aus

Genossen üben Selbstkritik: Haben Unzufriedenheit vieler Bürger verkannt / Drei Hürden liegen vor Schwarz-Gelb / Im Saarland werden CDU und SPD regieren

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Berlin. Während im Saarland eine Neuauflage der Großen Koalition unter Führung der CDU in trockenen Tüchern ist, haben die Sozialdemokraten einem Regierungsbündnis mit der Union in Nordrhein-Westfalen eine Absage erteilt. Damit rückt eine schwarz-gelbe Koalition zwar näher, ist aber keineswegs ausgemachte Sache. Die SPD an Rhein und Ruhr leckt derweil ihre Wunden.

Der Landesvorstand der Sozialdemokraten beschloss am Montagabend in Düsseldorf den Gang in die Opposition. Angesichts der »klaren Mehrheitsverhältnisse«, die eine Regierungsbildung durch CDU und FDP ermöglichten, »stehen wir für eine große Koalition nicht zur Verfügung«, heißt es in dem Beschluss. Anstelle einer Regierungsbeteiligung als Juniorpartner der Union bedürfe es nun »einer schonungslosen, aber auch gründlichen Analyse für die Ursachen dieses Wahlergebnisses.«

Die bislang mit den Grünen regierende NRW-SPD war bei der Wahl am Sonntag deutlich hinter die CDU zurückgefallen, sie verzeichnete ihr historisch schlechtestes Ergebnis in dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Landeschefin Hannelore Kraft erklärte ihren Rücktritt von allen Parteiämtern.

»Die CDU hat nun den Auftrag, eine Landesregierung zu bilden, und sie hat gemeinsam mit der FDP eine Mehrheit dafür«, heißt es in dem Papier des SPD-Landesvorstands weiter. Die NRW-SPD brauche nun »einen geordneten Prozess der Erneuerung«. Bis zur Sommerpause sollten die Weichen für einen Neubeginn gestellt sein.

»Stimmung bei den Menschen nicht getroffen«

In dem Beschluss nahm der Landesvorstand eine erste Analyse der Ursachen für die Wahlschlappe vor. Es sei ein »Fehler« gewesen, im Wahlkampf nur auf Landespolitik zu setzen und die Bundespolitik auszuklammern. »Viele Menschen haben den berechtigten Anspruch, dass ihnen die SPD ihre Haltung zu gesellschaftlichen und politischen Fragen deutlich macht - unabhängig davon, welches Parlament zuständig ist«, heißt es in dem Beschluss. Zudem habe die Partei im Wahlkampf verkannt, wie unzufrieden viele Bürger mit der Regierungsbilanz gewesen seien. »Zur Wahrheit gehört auch, dass in unserem Land nicht alles perfekt ist«, analysierte der Vorstand. Die Unzufriedenheit sei »in Teilen ein offensichtlicher Widerspruch zu unserer Kampagne« gewesen, »die die Stimmung bei den Menschen nicht getroffen hat«.

Nach der Absage der SPD bleibt nun eine schwarz-gelbe Koalition unter CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet die einzige plausible Möglichkeit zur Regierungsbildung. Laschet hatte am Montag »Vorfestlegungen« in der Koalitionsfrage abgelehnt. Bislang regieren die Liberalen auf Länderebene nur in Rheinland-Pfalz mit. Die FDP-Landtagsfraktion wählte am Abend den Landes- und Bundeschef Christian Lindner zum Fraktionsvorsitzenden. Bei der konstituierenden Sitzung der FDP-Landtagsfraktion wurde Lindner einstimmig wiedergewählt, wie eine Fraktionssprecherin mitteilte. Der 38-Jährige führt die FDP-Fraktion seit Ende Mai 2012. Lindner will im Fall einer Rückkehr seiner Partei in den Bundestag nach der Bundestagswahl im Herbst allerdings nach Berlin wechseln.

Drei Hürden stehen vor Schwarz-Gelb

Vor Schwarz-Gelb stehen aber drei Hürden: Erstens hätte ein solches Bündnis hätte im NRW-Landtag nur eine hauchdünne Mehrheit. Die beiden Parteien kommen im neuen Landtag auf 100 von 199 Sitzen. Zweitens liegt eine Regierungsbeteiligung zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt im Interesse der FDP, die sich als rechtsliberale Opposition zwischen Union und AfD aus der Krise ziehen wollen - und das Ziel heißt Bundestagswahl. Und drittens: Inhalte.

Die CDU sieht mit der FDP Gemeinsamkeiten bei der Bildung, in der Wirtschaftspolitik oder beim Bürokratieabbau. Anders sieht es aus beim Thema innere Sicherheit: Die FDP sei gegen verdachtsunabhängige Personenkontrollen bei der Schleierfahndung, gegen Vorratsdatenspeicherung und sei bei der Videoüberwachung sehr skeptisch, machte CDU-Landeschef Armin Laschet deutlich. Die ebenfalls kräftig gestärkte FDP pokerte zudem am Tag nach der Landtagswahl hoch. Führende Liberale drohten, die FDP werde lieber in die Opposition gehen als der CDU in Koalitionsverhandlungen weitreichende Zugeständnisse zu machen. »Nur wenn es einen echten Politikwechsel gibt, sind wir dabei«, sagte Lindner in Berlin. Er sieht seine Partei durch den Wahlerfolg in NRW als eigenständige Kraft ohne eine Festlegung auf einen Koalitionspartner gestärkt.

CDU und FDP vereinbarten nun zunächst ein erstes Sondierungsgespräch. Laschet habe die Liberalen dazu eingeladen, sagte ein FDP-Sprecher in Düsseldorf am Montagabend, noch bevor der SPD-Beschluss bekannt wurde. Der FDP-Landesvorstand habe sich in seiner Sitzung einmütig für das ergebnisoffene Gespräch ausgesprochen. Ein Termin sei noch nicht festgelegt worden.

SPD-Parteitag segnet GroKo im Saarland ab

Im Saarland kommt es derweil wie erwartet zu einer Neuauflage der großen Koalition unter Führung der CDU. Drei Tage nach den Christdemokraten segneten die Delegierten des SPD-Landesparteitags in Neunkirchen am Montagabend den Koalitionsvertrag mit großer Mehrheit ab. Am Dienstag ist die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags, am Mittwoch dann die Wiederwahl von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) geplant. Die SPD-Spitzenkandidatin bei der Wahl Ende März, Anke Rehlinger, warb bei den Delegierten um Zustimmung zu der neuen Regierungsvereinbarung mit der CDU. Vereinbart sei ein »Jahrzehnt der Investitionen«, die Kita-Beiträge sollten gesenkt werden und im Bundesrat solle eine Initiative für faire Renten gestartet werden. Die CDU war bei der Landtagswahl Ende März klar stärkste Kraft vor der SPD geworden. Die beiden Parteien regieren bereits seit 2012 im Saarland zusammen. Anfang Mai einigten sie sich auf einen Koalitionsvertrag. Agenturen/nd

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