Von »Schnaggla« und »Schlücksern«

Uni Passau stellt Bayerischen Sprachatlas online

  • Lesedauer: 2 Min.

Passau. Wer Sommersprossen hat, hat »Kuckuckschecken« im Gesicht - zumindest in Niederbayern. Mädchen werden hier in einigen Regionen im Bayerischen Wald schlicht als »Mensch« bezeichnet. Und die Beule am Kopf heißt »Dübel« - sehr anschaulich beschrieben. So schön Bayerns Dialekte sind - auch sie sind teils vom Aussterben bedroht. Damit der Klang nicht verloren geht, gibt es den »sprechenden Sprachatlas« der Bayrischen Staatsbibliothek. Die Universität Passau hat ihre Sammlung nun ergänzt und online zur Verfügung gestellt: 6000 Tondokumente aus 207 niederbayerischen und 22 tschechischen Orten.

Das Projekt Bayerischer Sprachatlas dokumentiert seit 2006 Redensarten im Freistaat - nicht nur schriftlich, sondern auch akustisch. Gewährsleute sprechen Begriffe und Redewendungen so ein, wie sie es in ihrer Heimat gewohnt sind.

Laut Horst Münzinger, Vorstand des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte, werden die bayrischen Dialekte immer flacher und gehen meist in Regiolekte über: »Mundarten also, die in größeren Dialekträumen geredet und verstanden werden. Sehr bedenklich, leider aber auch zutreffend, dass die UNESCO 2009 die bairische Sprache auf die Liste der gefährdeten Sprachen gesetzt hat.« In großen Städten und vor allem in Medien herrsche Hochdeutsch. Mundart gelte zunehmend als Sprachbarriere. Deshalb würden Wörter abgeschliffen, so dass sie jeder versteht. Auffällig sei jedoch: »In Gegenden, die weiter weg von Großstädten beziehungsweise Ballungsräumen sind und in denen die Dorf- und Vereinsstrukturen noch in Ordnung sind, da wo Jung und Alt noch miteinander leben, ist es auch um den Dialekt nicht schlecht bestellt«, sagt Münzinger. »Der Dialekt beginnt am Ende der S-Bahn.«

Trotzdem müsse man gegen den Verfall der Dialekte vorgehen, denn kleinräumig beheimateter Wortschatz und Redewendungen spiegelten die Geschichte und die Gegenwart der Lebenseinstellung und -gewohnheiten der Bevölkerung wider. Deshalb sei Mundarterhalt ein entscheidender Beitrag lokaler und regionaler Kultur- und Traditionspflege. Wichtig wäre für Münzinger eine dauerhafte Aufklärung bei Eltern, Erziehungs- und Lehrkräften darüber, dass Mundart kein Bildungshemmnis ist. Zudem sollte Mundart neben Hochsprache in Kindergärten und Schulen sowie über Kunst, Theater und Musik in bairischer Sprache gefördert werden.

Wer sich durch die Tondokumente klickt, ist prächtig amüsiert - so sagt man in Ober- und Niederbayern nicht Schluckauf, sondern »Schnaggla«, und in Unterfranken »Schlückser«. Überraschend einig ist sich Bayern jedoch in einer ganz bestimmten Sache: Wer sich nicht gerade vornehm auf den Allerwertesten setzt, setzt sich im Dialekt auf den »Oorsch«, »Oasch« oder einfach auf seinen »Arsch«. dpa/nd

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