Volksinitiative abgelehnt

Rot-Rot will sich das Recht zur Festlegung neuer Kreisgrenzen nicht nehmen lassen

Der Landtag hat am Donnerstag erwartungsgemäß die Volksinitiative gegen die geplante Kreisreform abgelehnt. Damit ist der Weg frei für ein Volksbegehren. Dafür müssen innerhalb eines halben Jahres mindestens 80 000 Unterschriften zusammenkommen. Da bereits die Volksinitiative 129 464 Unterschriften erhielt, dürfte dies eigentlich keine große Hürde sein. Unter Umständen könnte es am Ende zu einem ersten Volksentscheid im Land Brandenburg kommen, der von den Bürgern von unten erzwungen und nicht von oben verfügt wird.

Gegen die Volksinitiative stimmten SPD, LINKE und unter Vorbehalt auch die Grünen. Für die Initiative votierten CDU, Freie Wähler und AfD. Die Abgeordnete Barbara Hackenschmidt (SPD) enthielt sich.

Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) versicherte, es habe substanzielle Änderungen am ursprünglichen Entwurf gegeben und man sei der verbreiteten Skepsis unter den Brandenburgern damit weitgehend entgegengekommen. Das Land müsse jedoch auf die Bevölkerungsprognosen reagieren. Nach gegenwärtigem Stand möchte die rot-rote Koalition die Zahl der Landkreise nun von 14 auf elf reduzieren. Von den bislang vier kreisfreien Städten soll im Jahr 2019 nur noch eine übrig bleiben.

»Wir wollen keine Kreisreform«, betonte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Er warf SPD und LINKE vor, diese hätten sich zu keinem Zeitpunkt gefragt, »warum der Fleischermeister in Lychen und der Bäckermeister in Neuruppin« die Unterschriftenlisten ausgelegt hatten. Auch fühlen die Brandenburger, so donnerte Senftleben, dass es um mehr gehe als um die Kreisgrenzen - nämlich etwa um Schulen, Musikschulen und den Bus- und Straßenbahnverkehr. »Zusammenlegen, zentralisieren, abwickeln, das wollen die Brandenburger nicht«, rief Senftleben.

Darauf reagierte der Abgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE): »Herr Senftleben, ich finde es irgendwie schockierend, dass Sie für die Aneinanderreihung von hohlen Sprüchen noch Beifall bekommen.« Scharfenberg attestierte der CDU-Fraktion, es gehe dieser nur um »Schwarzmalerei« zur Verhinderung der Reform. »Wir haben die Volksinitiative gründlich geprüft«, sagte Scharfenberg. Doch die Politik dürfe das Mittel, die Kreisgrenzen bestimmen zu dürfen, nicht einfach aus der Hand geben.

Zumal die Volksinitiative nicht einmal definiere, wie lange eine Kreisreform ausgeschlossen sein soll, wie die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) bemerkte. Etwa für immer und ewig? Die rund 130 000 Unterschriften nannte Nonnemacher »durchaus erfreulich«. Als Mitglied einer Partei, die für mehr direkte Demokratie eintritt, war es ihr wichtig, dies zu unterstreichen. Doch: »Im Gegensatz zur Volksinitiative sehen wir Handlungsbedarf«, erklärte Nonnemacher für ihre Grünen-Fraktion. Rot-Rot hätte die Menschen ihrer Ansicht nach von der Notwendigkeit einer Kreisreform überzeugen müssen. Doch wegen »Rechthaberei« und wegen unterschiedlicher Vorstellungen von SPD und LINKE seien die Chancen und Vorteile einer solchen Reform für die Menschen nicht erlebbar geworden. Das sei betrüblich.

Zu einem kleinen Zwischenfall kam es, als der AfD-Abgeordnete Steffen Königer behauptete, die Bevölkerungsprognosen, auf die sich die Regierung beruft, seien Fantasieprodukte. Innenminister Schröter hielt dies für eine Verschwörungstheorie und meinte verärgert, er wisse ja nicht, was Königer nehme, aber es sei auf jeden Fall zu viel. Daraufhin intervenierte Parlamentsvizepräsident Dieter Dombrowski (CDU), auch wenn es sich um einen AfD-Abgeordneten handele, müssten doch die Formen des Anstands gewahrt bleiben. Schröter entschuldigte sich auch gleich postwendend, in einer heißen Debatte könne es schon einmal vorkommen, dass einem »die Krawatte verrutscht«. Es tue ihm leid.

Vor einigen Wochen lenkte die Regierung teilweise ein und verkündete den Verzicht auf einen riesigen Niederlausitzkreis. Außerdem sollen Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald nun doch nicht zusammengelegt werden. Doch mit kleinen Korrekturen geben sich die Initiatoren der Volksinitiative nicht zufrieden. Sie wollen weitermachen.

Nach der Ablehnung der Volksinitiative steht nun die eigentliche Entscheidung des Landtags über die Kreisreform an. Sie soll am 12. Juni fallen.

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