Auf Ideenklau
Ein neues Markenzeichen der SPD: Der »starke Staat«
Wären Bombendrohungen nicht eine zu ernste Sache, man könnte glatt vermuten, die SPD habe sich den am Montag im Berliner Willi-Brandt-Hauses entdeckten verdächtigen Gegenstand selbst geschickt. Warum? Um einen Kompetenzzuwachs in Sachen Innerer Sicherheit zu beweisen. Als Konsequenz aus den drei Niederlagen bei Landtagswahlen in Folge will die SPD dieses Thema stärker betonen, denn: »Innere Sicherheit ist ein Kernanliegen der Sozialdemokratie«, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. »Die Menschen wollen einen starken Staat, der sie beschützt. Einen schwachen Staat können sich nur die Reichen leisten.« Andere redeten es ihm nach und sind damit gleichfalls beim verbalen Lieblingsthema des Kanzlerkandidaten und SPD-Chefs Martin Schulz: Gerechtigkeit.
Fraglich ist allerdings, wieso sich ausgerechnet Johannes Kahrs, der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises, mit diesem Begriff in die Öffentlichkeit wagt. Der sozialdemokratische Haushaltsexperte fand am Montag im Deutschlandfunk-Interview so einige Versäumnisse des aktuellen Koalitionspartner heraus. Nicht nur, dass die SPD angeblich die bereits bewilligten zusätzlichen Bundespolizei-Stellen durchgesetzt hätten, die Sozialdemokraten wollten auch neue Hubschrauber kaufen, damit die Truppe beweglicher wird. Die Union habe das abgelehnt.
Nun will man weitere 15 000 Polizisten einstellen und rigoros gegen »Körperverletzungen, Vandalismus, Diebstähle und vor allem Wohnungseinbrüche« vorgehen. Sogar SPD-Generalsekretärin Katharina Barley mag plötzlich den »starken Staat« wie den Duft frischer Blumen: Anders als CDU und CSU setze die SPD weniger auf schärfere Gesetze, sondern die »richtige Umsetzung«. Überall dort, wo Schwarz-Gelb regierte, seien Polizeistellen abgebaut worden, verkündete Barley und kündigte wie Oppermann entsprechende Beschlüsse im Wahlprogramm an. Der bisher vorliegende Entwurf vermittelt denn auch peinliches Bemühen. Man wolle durch stärkere Polizeipräsenz und bessere Prävention dafür sorgen, dass sich jeder sicher fühlen kann. Rund um die Uhr. So lautet die Losung, mit der man Frau und Herrn Mustermann beeindrucken will. Dazu verteilt die SPD hohle Losungen, die man bislang eher aus dem Berliner Adenauer-Haus oder aus Bayern gehört hat: »Null Toleranz gegen Islamisten«, »schwer kriminelle Ausländer nach der Haft abschieben«. Mangels eigener Ideen klaut man gnadenlos beim Original.
Noch seltsamer wird es, wenn die SPD versucht, den aktuellen Bundesinnenminister als »Weichwurst« darzustellen. Kahrs hob in dem Zusammenhang sogar die Leistungen des als cholerisch verschrienen früheren SPD-Bundesinnenministers Otto Schily hervor. Ob er sich so den kommenden Bundesinnenminister zum Freund macht? Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass kein SPDler, sondern Bayerns derzeitiger Ordnungschef Joachim Herrmann in das Amt geholt wird.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.