Hessische Abgeordnete Öztürk verlässt die Grünen

Politikerin übt scharfe Kritik an der Asylpolitik der schwarz-grünen Regierung in Wiesbaden

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die hessische Landtagsabgeordnete Mürvet Öztürk hat nach 16 Jahren ihren Austritt bei den Grünen erklärt. Mit der Entscheidung vollzieht die Politikerin einen final konsequenten Schritt: Bereits im September 2015 hatte Özturk im Streit um die Asylpolitik der schwarz-grünen Landesregierung ihre Fraktion im Wiesbadener Landtag verlassen. Konkreter Anlass für den Bruch mit ihrer Fraktion war damals die Entscheidung gewesen, den Bundesratsbeschluss zur Ausweitung sogenannter »sicherer Herkunftsstaaten« auf Albanien, Montenegro und Kosovo trotz heftiger Kritik von Menschenrechtsorganisationen mitzutragen. Öztürk hatte sich in ihrer Funktion als Sprecherin für Asyl- und Migrationspolitik gegen die Entscheidung der hessischen Grünen gewandt. An ihren Beweggründen für einen Austritt habe sich seitdem nichts geändert, diese hätten sich in den vergangenen zwei Jahren sogar bestätigt.

»Seit meinem Austritt aus der Regierungsfraktion der Grünen beobachte ich die zunehmende Diskrepanz zwischen der politischen Zielsetzung der Grünen-Partei und meiner eignen politischen Zielsetzung. Aus dem Grund sehe ich keine realistische Möglichkeit mehr innerhalb der Partei konstruktiv mitarbeiten zu können«, begründet Öztürk ihre Entscheidung in einer Mitteilung. Durch »fragwürdige Sammelabschiebungen nach Afghanistan mit grüner Regierungsbeteiligung«, sowie der »zähen Aufklärung im NSU-Untersuchungsauschuss« fühlt sich die Abgeordnete in ihrer Entscheidung nun bestätigt.

Eine Rolle für den nun vollzogenen Schritt dürfte allerdings auch das laufende Parteiausschuss-Verfahren gespielt haben, dass durch den hessischen Landesvorstand der Grünen angestrengt worden war. Darin wird Öztürk vorgeworfen, der Partei mit ihrem Austritt geschadet zu haben. Ihr Mandat will sie bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im Jahr 2018 fortführen.

Auf Seiten ihrer Ex-Fraktion scheint man nicht ganz unglücklich über die Entscheidung zu sein: »Es ist gut, dass jetzt wieder eindeutig ist, wer die Interessen von Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag vertritt. Dies war und ist ausschließlich die grüne Landtagsfraktion«, erklärte der politische Geschäftsführer Grünen, Jochen Ruoff, gegenüber der Hessenschau.

Mit dem Austritt Öztürk müssen die Grünen schon den dritten Verlust einer Abgeordneten auf Landesebene innerhalb kurzer Zeit verkraften. Erst Ende März hatte die bayerische Landtagsabgeordnete Claudia Stamm medienwirksam ihren Austritt erklärt, vor guter einer Woche gab die Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Susanne Wendland ihr Parteibuch zurück.

Stamms Begründung weist Parallelen zu der von Öztürk auf. Stamm hatte erklärt, die im Bund und in Bayern parlamentarisch vertretenen Parteien hätten »im Angesicht eines grassierenden – zum Teil von ihnen selbst mit befeuerten – Rechtspopulismus Position um Position geräumt«. Positionen, die es aus ihrer Sicht zu wahren gelte: die »unbedingte Wahrung der Menschenwürde, die Parteinahme für die am schlechtesten Gestellten, den konsequenten Einsatz für den Schutz von Natur und Umwelt.« In diesen Fragen hätten die Grünen oft einen schwammigen Kurs hingelegt.

Auch Wendland war mit ihrer Ex-Partei hart ins Gericht gegangen. »Die Grünen verraten ihre Grundsätze im Kampf um Machterhalt. Immer mehr Angst bestimmt politisches Handeln«, so ihre Begründung.

Im Gegensatz zum Parteiaustritt in Hessen und Bremen ging Stamm aber noch einen Schritt weiter und kündigte bis Pfingsten die Gründung einer neuen Partei an. »Zeit zu Handeln« heißt das Projekt. Wie die politische Zukunft von Öztürk aussieht, ist dagegen bisher noch offen.

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