So viele Lehrer, wie man’s nimmt und rechnet

Bildungssenat und Gewerkschaft uneins über Auswirkungen einer neuen Rechenweise bei der Bedarfsermittlung

Rund 600 Stunden werden in einer durchschnittlichen Grundschule pro Woche unterrichtet. Mit komplizierten Methoden ermittelt die Senatsbildungsverwaltung den Bedarf. Daraus ergibt sich die Zahl der Lehrer. Nun wird die Berechnungsmethode verändert - und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schlägt Alarm.

Bisher wurde für die 3. bis 6. Klasse pauschal mit je 24 Mädchen und Jungen pro Klasse operiert. Dabei wurde berücksichtigt, dass Drittklässler 24 Stunden Unterricht pro Woche haben, Viertklässler 27 Stunden, Fünftklässler 30 und Sechstklässler 31. Künftig, ab dem Schuljahr 2017/18, wird für jeden einzelnen Schüler ein statistischer Bedarf von 1,25 Stunden angenommen und dies wird dann hochgerechnet. Damit werde an die Vorgehensweise vor 2008 angeknüpft, heißt es. In der Summe ändere sich nichts. Nur werde den steigenden Schülerzahlen Rechnung getragen. Zuletzt habe erst eine zusätzliche Klasse dazu geführt, dass einer Grundschule ein höherer Stundenbedarf zuerkannt wurde. Nun werde auch berücksichtigt, wenn Klassen größer werden. Damit reagiere man auf Beschwerden zahlreicher Grundschulen.

Für Stadtrandschulen, die wegen ihrer Lage an der Grenze zu Brandenburg einen eingeschränkten Einzugsbereich haben und deswegen kleinere Klassen, gebe es einen sogenannten Frequenzausgleich. Auch Schulen in sozialen Brennpunkten, die kleinere Klassen pädagogisch für sinnvoll halten, um besser auf die einzelnen Schüler eingehen zu können, sollen einen Frequenzausgleich erhalten. Sonderpädagogischer Förderbedarf werde ebenfalls berücksichtigt, und der spezielle Sprachunterricht für Flüchtlingskinder auch.

Beispiel: Die City-Grundschule in Mitte. Sie hat laut Bildungssenat für das laufende Schuljahr nach der alten Rechenweise einen Bedarf von 610,97 Wochenstunden gehabt. Ihr wird nach neuer Rechenweise für das kommende Schuljahr ein Bedarf von 610,74 Wochenstunden zugemessen. Die Lehrer an der City-Grundschule reichen aber nur für 559 Stunden. Ergo: Es können und müssen noch zwei Pädagogen eingestellt werden.

GEW-Landeschef Tom Erdmann kommt aber zu einem anderen Ergebnis. Er habe persönlich für die City-Grundschule nach der alten und nach der neuen Methode durchgerechnet, erklärt Erdmann am Mittwoch. Dabei sei er auf eine Differenz von 2,1 Vollzeitstellen gekommen. Wohlgemerkt nicht 2,1 Stellen, die im Laufe der Ferien noch besetzt werden können, sondern 2,1 Stellen, die der City-Grundschule durch die neue Rechenweise verloren gehen. Unterschlagen werde etwa, so warnt Erdmann, dass der Frequenzausgleich erst oberhalb einer halben Stelle greifen solle, unterhalb hätten die Schulen das Nachsehen. Nach Übersicht des GEW-Landesvorsitzenden würden Grundschulen in gut situierten Gegenden durch die Neuregelung teilweise Stunden oben drauf bekommen, die meisten Brennpunktschulen würden dagegen Stunden verlieren, und dies dürfte doch nicht sein. Am Freitag will Erdmann seine Berechnungen für 18 ausgewählte Grundschulen öffentlich machen.

Auf die 370 Grundschulen entfallen etwa 9300 Vollzeit-Lehrerstellen. Tatsächlich sind dort aber viel mehr Pädagogen tätig, da zwei Drittel der Kollegen auf eigenen Antrag nur Teilzeit arbeiten. Rechtlich zulässig sind in Berlin 26 Grundschüler pro Klasse. Im Schnitt sind es 24 Schüler. In Ausnahmefällen gibt es aber auch Klassen mit lediglich 17 oder 18 Kindern.

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