Zweierlei Sicht auf IS-Terror

Kontrollgremium zu Weihnachtsmarkt-Attentat

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) hat am Mittwoch seine »erläuternde Sachverhaltsdarstellung« zum Fall des sogenannten Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri vorgelegt. Dessen Mordtat in Berlin forderte zwölf Leben, zahlreiche Menschen wurden verletzt. Im Bericht wird deutlich, dass der IS-Terrorfall die föderale Sicherheitsarchitektur an ihre Grenzen gebracht hat. Amri lebte in sechs Bundesländern, zeitweise befassten sich 50 staatliche Stellen mit dem Gefährder.

Dabei war der Fall nur einer unter vielen. Das Bundeskriminalamt habe im vergangenen Jahr »440 Einzelhinweise auf das Vorliegen einer Gefährdung deutscher Interessen und Einrichtungen im In- und Ausland geprüft«, liest man. In dem Bericht werden zahlreiche Momente aufgelistet, die Anlass zu engagierterem Handeln der Sicherheitsbehörden hätten sein müssen. Die Abgeordneten analysierten Fehlverhalten in Bund und Ländern, kritisierten die Untätigkeit des Verfassungsschutzes und verstehen nicht, warum der BND ungenügend einbezogen wurde. Die Historie aller Strafverfahren und weiterer nicht ermittelter Straftaten zeigten zudem drastisch, wie notwendig die Bündelung bei einer Staatsanwaltschaft gewesen wäre.

Dem Dokument liegen zwei Sondervoten bei. Der Vizechef des PKGr, André Hahn (Linksfraktion), bemängelt: »Der Bericht ist an ganz entscheidenden Stellen unvollständig und daher nur bedingt bzw. gar nicht geeignet, die Vorgänge um den Anschlag ... umfassend aufzuklären.« Das liege insbesondere daran, dass Nordrhein-Westfalen und Berlin so gut wie keine Unterlagen beisteuerten. Schwere Pannen, Versäumnisse und Fehlentscheidungen seien nur »unzureichend oder gar nicht« zur Sprache gekommen. Der Verdacht, dass Behörden Anis Amri als »Nachrichtenmittler« nicht aus dem Verkehr ziehen wollten und damit vorsätzlich das Leben Dritter riskierten, ist für Hahn »nicht ausgeräumt«.

»Der bisher schwerste Terroranschlag in Deutschland am 19. Dezember hätte nicht nur verhindert werden können, sondern hätte auch verhindert werden müssen«, sagt Grünen-Abgeordneter Christian Ströbele. »Das Totalversagen der Sicherheitsbehörden« erinnern ihn an den NSU-Fall. Er wirft der Regierung vor, zentrale Gefährdungserkenntnis verheimlicht zu haben. Statt gründlich aufzuklären, versuchte man sich »im Tarnen und Täuschen«.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -