Anstieg von Übergriffen nach Terror in Großbritannien

Verfünfachung von Attacken auf muslimische Briten

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Terroranschlag auf der London Bridge ist es in London zu einem Anstieg antimuslimischer und rassistischer Gewalt gekommen. In den Tagen nach dem Anschlag am Samstagabend wuchs die Zahl von »Hassverbrechen« auf durchschnittlich 54 Vorfälle pro Tag, 20 davon richteten sich gegen Muslime – eine Verfünffachung der Übergriffe. Bisher hatte die Londoner Polizei 2017 durchschnittlich 38 Fälle von Hassverbrechen pro Tag registriert, nur vier davon richteten sich dieses Jahr gegen Muslime.

Der Bürgermeister der Stadt, Sadiq Khan, rief am Mittwoch die Londoner auf, Übergriffe der Polizei zu melden, man verfolge eine »Null-Toleranz-Politik«. Man habe seit Samstagabend 25 Täter verhaftet und sei entschlossen, »Hassverbrechen in jeder Form nachzugehen«, erklärte die Londoner Polizei am Mittwochabend. Laut eigenen Angaben hat die Londoner Polizei die Zahl der Ermittler, die zu Hassverbrechen ermitteln, um 30 Prozent erhöht und eine eigene Einheit für den Umgang mit »Internet Hassverbrechen« gebildet. Insgesamt arbeiten demnach 900 spezialisierte Ermittler bei der »Metropolitan Police«.

Der jahrelange Anstieg rassistischer Gewalt sei auch darauf zurückzuführen, dass die Polizei heute sensibilisierter sei und mehr Vorfälle gemeldet würden, erklärte die Polizei. Doch antirassistische Aktivisten und Polizeiforscher gehen davon aus, dass die Dunkelziffer der Angriffe noch höher ist, weil – trotz eventuell gestiegener Anzeigebereitschaft – viele Fälle nicht gemeldet werden.

Auch die unabhängige antirassistische Organisation »Tell Mama« veröffentlichte am Mittwoch ähnliche Zahlen wie die Londoner Polizei. Sie meldete 66 Vorfälle von Sonntag bis Dienstag. Nach Angaben der Organisation hat es 141 Übergriffe nach dem Terroranschlag von Manchester am 22. Mai gegeben. In der Woche danach fiel die Zahl der Angriffe wieder auf 37 pro Tag. Wenn die derzeitige Welle an Hassverbrechen so weitergeht, könnte sie die Anzahl der Angriffe nach dem Anschlag in Manchester übertreffen, fürchten Beobachter.

Schon vor und nach dem Brexit war die Zahl der Hassverbrechen gegen Minderheiten angestiegen. In den 38 Tagen vor dem Referendum zum EU-Ausstieg zählte die Londoner Polizei 1400 Fälle von Hassverbrechen, im gleichen Zeitraum nach dem Brexit-Votum 2300 Fälle. Das entspricht 36 beziehungsweise 60 Fällen pro Tag. In den folgenden Monaten war die Zahl der Übergriffe gegen Minderheiten wieder zurückgegangen, war aber immer noch höher als vor der Abstimmung. In vielen Fällen – etwa bei Gewalt gegen Osteuropäer - habe es eine direkte Verbindung zum Brexit gegeben, erklärte der Metropolitan Police Commissioner, Sir Bernard Hogan-Howe, im September 2016.

Vor und nach dem Brexit-Votum habe es auch in den Schulen in Großbritannien deutlich mehr Übergriffe gegen Minderheiten gegeben. Um 54 Prozent stieg die Zahl der Hassverbrechen zwischen Mai und Juli 2016 im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2015. Das zeigt eine Untersuchung des Times Educational Suplement, die für die Untersuchung die Daten von 30 lokalen Polizeibehörden in England ausgewertet hatte.

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