Fitmachen für lukrative Investitionen

Finanzminister Schäubles »Compact with Africa« spart zentrale Entwicklungshindernisse aus

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

Deutschland hat sich entschieden: Tunesien, Ghana und Côte d'Ivoire sollen als Partnerländer Deutschlands Hilfe bei der Förderung von privaten Investitionen erhalten. Damit leiste Deutschland seinen Beitrag zur neuen G20-Partnerschaftsinitiative mit Afrika, teilte das Bundesfinanzministerium am Montag mit.

Die Bundesregierung veranstaltet am 12. und 13. Juni in Berlin die Konferenz »G20 Africa Partnership - Investing in a Common Future«. Dabei soll ein modernes, differenziertes Afrikabild für politische Entscheidungsträger und private Investoren gezeichnet werden. Kernstück der Initiative ist das Übereinkommen »Compact with Africa«. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: »Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gelehrt, dass die vielen bilateralen und multilateralen Akteure besser kooperieren müssen. Auch die Länder selber müssen mehr Verantwortung übernehmen.« Wichtigstes Kriterium für die Auswahl der drei Partnerländer seien Reformbereitschaft und »gute Regierungsführung« gewesen.

Angetan von »Compact with Africa« und den Initiativen der deutschen Bundesregierung, die dieses Jahr die Präsidentschaft der G20-Staaten innehat, zeigte sich der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), Adinwumi Adesina auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Für Adesina, vormals Minister für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in Nigeria, zeige sich an »Compact with Africa« eine bedeutsame Wendung des Blicks der G20-Staaten auf Afrika: Die afrikanischen Staaten werden demnach nicht mehr vordringlich als Empfängerstaaten von Entwicklungshilfe, sondern als Länder mit guten Perspektiven für Investitionen gesehen. »Die Zeit, da wir betteln mussten, ist vorbei, Afrika bietet einen big deal, ein großes Geschäft«, schaut Adesina optimistisch in die Zukunft. 32 afrikanische Staaten hätten im vergangenen Jahr Wachstumsraten von über drei Prozent verzeichnet, ein Dutzend davon gar über fünf Prozent. Spitzenreiter war das von Deutschland mit auserkorene Côte d'Ivoire. Ghana und Tunesien finden sich in diesem Ranking nicht unter den führenden Staaten.

Was Adesina besonders betonte: die Reformbereitschaft in Afrika. Laut dem »Doing Business«-Index der Weltbank lägen fünf der zehn reformwilligsten Staaten in Afrika, 34 der 54 afrikanischen Länder hätten große Reformvorhaben auf den Weg gebracht. Der Weltbank-Index misst, wie gut die Rahmenbedingungen für Unternehmen im Ländervergleich sind.

Adesina stellte den 5-Punkte-Plan der AfDB vor: 1. Afrika mit Licht und Strom zu versorgen, 2. Afrika zu ernähren, 3. Afrika zu integrieren, 4. Afrika zu industrialisieren und 5. die Lebensqualität der Menschen in Afrika zu verbessern. Da er die Widerstandsfähigkeit der afrikanischen Ökonomien und die politische Lage größtenteils als gut einschätzt, ist er vom Erfolg des »Compact with Africa« überzeugt. Ein wenig skeptischer sieht das Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins: »Im September wird in Deutschland gewählt und im nächsten Jahr gibt Deutschland die G20-Präsidentschaft an Argentinien ab. Wenn es bis dahin nicht gelungen ist, die Rahmenbedingungen für Geschäfte in und mit Afrika signifikant zu verbessern, dann wäre die Chance für erfolgreiches Wachstum in Afrika mit deutscher Beteiligung eindeutig vertan.«

Adesina räumte derweil ein, dass ein Vogel zwei Flügel zum Fliegen bräuchte, mithin neben privaten Investitionen auch öffentliche Investitionen in Afrika erforderlich seien. Der Kapitalbedarf ist offensichtlich, um in Afrika die Infrastruktur und Produktion auszubauen. Um Kapital anzulocken, sollen deswegen gleichzeitig lukrative Anlagemöglichkeiten für westliche Investitionsfonds erschlossen werden.

Die Renditeansprüche bedienen sich nicht von selbst. Folgerichtig kritisiert das deutsche Entschuldungsbündnis erlassjahr.de in einer gemeinsamen Stellungnahme mit den kontinentalen Schuldennetzwerken aus Europa und Afrika, dass der »Compact with Africa« nicht berücksichtigt, was passiert, wenn ein Staat nicht in der Lage sein sollte, die Kredite zurückzuzahlen. Kristina Rehbein, politische Referentin bei erlassjahr.de, sagt: »Angesichts steigender Schuldenindikatoren in vielen afrikanischen Ländern ist es unverantwortlich, dass der ›Compact with Africa‹ die Verschuldungswirkung dieser Investitionsoffensive ignoriert. Die Gläubiger schaffen gute Bedingungen, um ihr Geld anzulegen, und entlassen sich anschließend selbst aus der Verantwortung.« Verantwortung für einen Politikwechsel mit gerechteren Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika bleiben die G20-Staaten ohnehin schuldig.

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