Mutiger Schritt oder PR-Gag?

Rhein-Main-Verkehrsverbund stärkt die Rechte seiner Kunden

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Als einer der ersten Nahverkehrsverbünde in Deutschland hat der im Ballungsgebiet um die Bankenmetrople Frankfurt am Main sowie im südlichen Hessen angesiedelte Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) mit einer neuen Zehn-Minuten-Garantie die Rechte seiner Kunden gestärkt. Demnach bekommen alle Fahrgäste, die abweichend vom offiziellen Fahrplan ihr Reiseziel mit einer Verspätung von mehr als zehn Minuten erreichen, auf Antrag ab sofort eine finanzielle Entschädigung.

Nach den RMV-Bestimmungen wird dann der volle Fahrpreis bis maximal sechs Euro bzw. acht Euro in der 1. Wagenklasse der Bahnen erstattet. Bei Monats- und Jahreskarten erfolgt dies anteilig. Fahrgäste, die in den Abendstunden ab 21 Uhr bis Betriebsschluss von einer Verspätung betroffen werden, können alternativ auch Taxikosten von bis zu 25 Euro beantragen. Das RMV-Gebiet umfasst mehr als 1000 Bus- und Bahnlinien.

Die zum 1. Juni eingeführte Kundengarantie kommt nach den Bestimmungen unabhängig von der Verspätungsursache zum Tragen. Lediglich bei Gründen, die der Verkehrsverbund nicht beeinflussen kann, können Fahrgäste maximal zwei Garantiefälle täglich geltend machen. Dazu zählen etwa Unwetter, Selbstmorde an Bahnanlagen, Bombendrohungen oder Arbeitskämpfe. Die Anträge auf Erstattung müssen innerhalb von sieben Tagen nach der beanstandeten Verspätung eingereicht werden. Das Geld können die Kunden gegen Vorlage ihrer Originaltickets an RMV-Verkaufsstellen erhalten. Weil sie hierfür drei Monate Zeit haben, können sie unter Umständen mit einem Gang die Beträge für mehrere Garantiefälle gesammelt abholen.

Für RMV-Geschäftsführer Knut Ringat ist die Pünktlichkeitsgarantie ein »richtiger und durchaus mutiger Schritt«. Es sei »mit der wichtigste Wunsch der Fahrgäste, am Ziel verlässlich und pünktlich anzukommen«, so Ringat. Der Verbund hat in den ersten zehn Junitagen bereits rund 7000 Euro für die neue Entschädigung ausgegeben. Antragssteller sind bislang vor allem Inhaber von Zeitkarten. In der RMV-Zentrale geht man davon aus, dass die Garantie pro Jahr etwa eine Million Euro kosten dürfte.

Der RMV-Vorstoß fand in regionalen Mainstreammedien ein positives Echo, stößt aber bei manchen Nutzern und Verkehrsexperten auch auf Kritik. Viele betrachten die Zehn-Minuten-Garantie als »PR-Gag«, »Bürokratiemonster« und »neoliberale Kopfgeburt«, die im Alltag viele Kunden überfordere und bei dem die Erstattungsbeträge in keinem Verhältnis zum zeitlichen Aufwand stünden. »Herr Ringat hat einen Dienstwagen und kennt die Probleme der Kunden und der Beschäftigten der Verkehrsunternehmen nicht wirklich«, meint ein betroffener RMV-Kunde gegenüber »nd«. Viele Regionalexpresszüge der beteiligten Bahngesellschaften haben eine lange Laufzeit von über zwei Stunden, bei der es etwa aufgrund von Streckenüberlastungen oftmals unverschuldet zu Verspätungen kommt.

Die Zehn-Minuten-Garantie könnte für Lokführer und Zugbegleiter einen zusätzlichen Akkorddruck mit sich bringen. In Großstädten führen wechselnde Baustellen und dichtes Verkehrsaufkommen oftmals zu Verzögerungen der Busse. Zudem hat die Verdrängung angestammter Bahn- und Busunternehmen aufgrund des von der Politik vorgegebenen Ausschreibungswettbewerbs immer wieder massive Verzögerungen und Totalausfälle von Bahnen und Bussen ausgelöst, weil die neu eingesetzten Unternehmen mit den praktischen Aufgaben völlig überfordert sind. Der RMV gehört bundesweit zu den teuersten Verkehrsverbünden. Ein Einzelfahrschein von Wiesbaden nach Frankfurt kostet 8,35 Euro. Ein Ticket quer durch Berlin für die vergleichbare 40-Kilometer-Strecke von Wannsee nach Ahrensfelde nur 2,70 Euro.

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