Belästigung am Hörer

Werbung per Telefon ist ärgerlich - und häufig illegal

  • Rolf Schraa, Bonn
  • Lesedauer: 2 Min.

»Können Sie mich hören«, fragt der unbekannte Anrufer. Wer mit »Ja« antwortet, könnte einen Handy-Vertrag oder ein Zeitungsabo geschickt bekommen. Schwarze Schafe der Branche schneiden das »Ja« aus dem Gespräch heraus und stellen es als Zustimmung für einen Kaufvertrag dar. Klagen über belästigende oder sogar illegale Werbeanrufe wie in diesem Fall, von dem die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berichtet, nehmen bundesweit zu.

Im ersten Quartal 2017 regis-trierte die Bundesnetzagentur mit 4200 schriftlichen Beschwerden pro Monat fast eine Verdopplung gegenüber 2016. Die Behörde fordert mehr Befugnisse für Verbraucher und eine Dokumentationspflicht für Callcenter. Der Dialogmarketingverband DDV lehnt das ab und verweist auf den freiwilligen Kodex zum Schutz gegen illegale Praktiken und Belästigung von Kunden.

Schon 2016 war die Zahl der Beschwerden von 24 500 auf über 29 000 hochgeschnellt. Die Gesamthöhe der Bußgelder verdoppelte sich auf 900 000 Euro. Beschwerden gibt es etwa wegen des aggressiven Tons: So wurde 2016 eine Firma für Tiernahrung mit 150 000 Euro Bußgeld belegt, weil sie einschüchternd am Telefon agiert hatte.

Eine vorherige Einwilligung des Verbrauchers zu dem Werbeanruf ist zwingend notwendig. Sie kann auch nicht zu Beginn des Telefonats eingeholt werden. Um das zu umgehen, legten werbende Firmen häufig angebliche Einwilligungsdokumentationen vor, in denen Geburtsdatum und E-Mail-Adresse erfunden sind, so die Netzagentur.

In einem anderen Fall erhielten Nutzer SMS mit erotischem Inhalt und teure 0900er-Nummern für einen Rückruf. Die Netzagentur schaltete die Nummern ab und verbot dem Anbieter, die Telefongebühren einzukassieren. Häufig gibt es aber Probleme bei der Verfolgung: Vielfach unterdrücken Firmen nämlich ihre Rufnummer oder lassen durch technische Tricks andere Nummern im Display erscheinen. Das lässt sich oft nicht nachweisen, weil der Zugriff auf Verbindungsdaten geschützt ist.

Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg fordern in Bundesratsinitiativen, dass Verträge nur gültig sein sollen, wenn der Käufer sie schriftlich bestätigt. Ähnliche Einschränkungen wurden bereits für Glücksspielangebote übers Telefon eingeführt. Über die mögliche Rechtsänderung wird vor der Bundestagswahl wohl nicht mehr entschieden, doch der Branchenverband protestiert: Weitere Verschärfungen seien ein »Irrweg« und entzögen seriösem Telefonmarketing den Boden, sagt ein Sprecher. Die Branche beschäftige rund 500 000 Menschen. Zudem hätten Kunden ein 14-tägiges Widerrufsrecht, sagt DDV-Präsident Patrick Tapp. dpa/nd

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