Alles eine Frage der Uniform

Feuerwehren im Freistaat Thüringen haben mit vielen Problemen zu kämpfen

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 5 Min.

Wahrscheinlich hängen Menschenleben auch davon ab, welche Uniformen Feuerwehrleute tragen bzw. tragen werden, gibt es doch beim Thüringer Feuerwehr-Verband Überlegungen, die Jacken und Hosen oder Röcke auf absehbare Zeit auszutauschen, in denen die Kameraden seit Jahren auftreten. Entweder bei eher repräsentativen Veranstaltungen wie Stadtfesten. Oder im Dienstalltag.

Was das mit Menschenleben zu tun hat, geht es doch beim Neuzuschnitt von Uniformen doch eigentlich nur um ein paar Stücke Stoffe. An diesem frühen Abend in Schleusingen, an Biertischen und -bänken, wird aus dem, was Kameraden von Feuerwehren aus ganz Süd- und Südwestthüringen erzählen klar, dass die Uniformfrage eigentlich vor allem mit Menschenleben zu tun hat. Weil es dabei aus ganz verschiedenen Richtungen darum geht, wie attraktiv die Feuerwehren in Thüringen eigentlich noch als Orte, als Gruppen, als Organisationen sind, in denen ältere und jüngere Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Letztlich steckt nämlich diese Frage hinter all den Klagen über Nachwuchssorgen bei den Thüringer Feuerwehren, sie seit Jahren nicht leiser werden. Jenseits des kurzen und einfachen Satzes »Uns fehlen junge Leute!« geht es dabei eben um viel mehr als um pauschal mehr Personal.

Dass die Kameraden nun in einem Feuerwehrgerätehaus sitzen, hat mit einer landesweiten Veranstaltungsreihe zu tun, hinter der maßgeblich der Thüringer Feuerwehrverband steht. Auf vier Regionalkonferenzen nämlich wollen die Interessenvertreter der Feuerwehrleute im Freistaat erstens mit der eigenen Basis darüber sprechen, was die Helfer in den nächsten Jahren erwartet. Zweitens wollen die Verbandsfunktionäre von den Kameraden wissen, wie die zu Überlegungen stehen, die an der Spitze der Organisation angestellt werden. Drittens sollen die Feuerwehrleute auf den Konferenzen die Möglichkeit haben, mit Bürgermeistern, Landtagsabgeordneten und Vertretern des Innenministeriums zu sprechen.

Vor der Konferenz in Schleusingen saßen Kameraden schon in Stadtilm und Hermsdorf zusammen. Die letzte der vier Konferenzen ist für Ende Juni in Nordhausen geplant.

Ob sich die Kameraden in Nordthüringen dann auch so zurückhaltend zu neuen Uniformformen zeigen, wie viele der in Schleusingen versammelten Feuerwehrleute es an diesem Abend tun? Unwahrscheinlich ist das nicht, weil auch sie ganz sicher die gleichen Überlegungen anstellen werden wie ihre Kameraden in Südthüringen. Und die gehen an diesem Abend eben vor allem davon aus, dass es viel Geld kosten wird, diese neuen Uniformen anzuschaffen. Geld, sagt ein Kamerad unmittelbar nach Beginn der Konferenz, das doch besser in andere Ausrüstungsgegenstände oder die Ausbildung gesteckt werde. Dann erzählt der Mann von Feuerwehren, die so wenig Geld hätten, dass sie nicht mal dringend benötigte Handschuhe oder Stiefel für ihre Mitglieder kaufen könnten.

Hinter solchen Äußerungen steht auch eine Befürchtung: Dass die Feuerwehren im Wettbewerb um Mitglieder nicht mehr konkurrenzfähig zu Fußballvereinen, Kirmesgesellschaften oder dem heimischen Sofa mit davor hängendem Flachbildfernsehern sind. Wer heute, sagt ein Kamerad in der Debatte um die Uniformen, in einen Fußballverein eintrete, »der hat morgen sein Trikot«.

Bei vielen Feuerwehren, gerade in finanzschwachen Kommunen funktioniere das dagegen überhaupt nicht. »Da heißt es dann: Für den neuen Kameraden tun es auch erst mal ein paar abgetragene Sachen.« Dann hebt der Mann seine Stimme: »Nein, die tun es eben nicht! Solange wir auf dem platten Land Feuerwehrgerätehäuser haben, in denen sich die Kameraden nicht mal die Hände waschen können nach einem Einsatz, brauchen wir uns doch über nichts mehr zu wundern. Worüber reden wir denn?«

Dahinter wiederum steht die Befürchtung, dass die Schere zwischen Feuerwehren in finanziell gut ausgestatteten Kommunen und denen in armen immer weiter aufgeht. Schon jetzt, erzählt ein Kamerad, seien die Unterschiede zwischen einzelnen Feuerwehren in Land so groß, dass es inzwischen Städte und Gemeinden in Thüringen gebe, deren Feuerwehren nur noch auf dem Papier einsatzfähig seien. Bei einem Brand etwa kämen diese eigentlich nicht einsatzfähigen Kameraden an »wie die Friseure«, schimpft der Feuerwehrmann.

Also fehlt es vor allem am Geld? Weil sich damit neue Uniformen und Handschuhe und Stiefel für jeden Feuerwehrmann kaufen ließen; alte Gerätehäuser saniert werden könnten; die Vergünstigungen für Feuerwehrleute bezahlt werden könnten, mit denen manche Kommunen inzwischen neue Helfer zu rekrutieren versuchen - wie freier Eintritt ins Freibad für Feuerwehrleute und vergünstigtes Parken.

Allerdings wäre es wohl zu einfach, pauschal nach mehr Geld zu rufen, wie es zu einfach ist, pauschal nach mehr Personal zu schreien. Was auch viele Kameraden wissen. Und sagen. Beispielsweise, als die Männer und Frauen des Feuerwehrverbandes wissen wollen, wie die Mitgliederwerbekampagne an der Basis angekommen ist. Im Material für die Werbekampagne steht geschrieben, wie die Feuerwehren um verschiedene Zielgruppen werben sollen - um Studenten, Senioren, Flüchtlinge. Auf den bisherigen Konferenzen, sagt jemand vom Feuerwehrverband, habe sich aber gezeigt, dass sich die einzelnen Feuerwehren mit dem Material allein gelassen fühlten.

Das bestätigen sie hier in Schleusingen. »Wir haben die Flyer halt auf den Tischen verteilt«, sagt ein Kamerad. Zum Beispiel bei einem Sommerfest. »Nur es nimmt halt keiner was mit.«

Ausreichend Nachwuchs, das sagen viele an diesem Abend in Schleusingen, werden die Feuerwehren im Freistaat nur gewinnen können, wenn sich viele Dinge ändern - und zwar gleichzeitig: mehr Geld, cleverere Nachwuchswerbung, mehr Offenheit für Seiteneinsteiger auch im reiferen Alter, bessere Ausrüstung, stärkere Führung, weniger Aufgaben, die nichts mit dem Feuerwehrhandwerk zu tun haben, schönere Gerätehäuser. Und vielleicht doch auch neue, moderne Uniformen; als i-Tüpfelchen.

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