Letztes Aufgebot
Uwe Kalbe zur Klage der Piraten gegen ausgedehnte Videoüberwachung
Mancher mag sich daran gewöhnt haben, dass eine erdrückende Mehrheit im Bundestag über seine Belange entscheidet, ohne dass Einwände angemessen berücksichtigt würden. Ein solcher Zustand birgt allerdings die Gefahr, dass Beschlüsse gegen die Interessen womöglich einer Mehrheit ihre Wirkung entfalten, ohne dass dies wenigstens angemessen deutlich geworden wäre. Die Klage der Piraten vor dem Bundesverfassungsgericht, mit der sie die im Mai ausgeweitete Videoüberwachung für grundgesetzwidrig erklären lassen wollen, ist Zeichen einer solchen Situation. Weder der Widerstand der Opposition noch Einwände von Sachverständigen hatte das Gesetz aufgehalten oder wenigstens inhaltlich beeinflusst. Zugriffsrechte des Staates auf private Kameras wurden geschaffen - mit der Begründung, Anschläge verhindern zu wollen.
Es ist müßig zu argumentieren, dass Kameras keine Attentäter vom Attentat abhalten können, sondern allenfalls die Aufklärung erleichtern. Der von den Piraten vorgebrachte Einwand, dass sich Politik hier erneut über die Grundrechte der Menschen hinwegsetzte, wiegt deshalb schwerer. Und er ist berechtigt, wenn man die Entwicklung betrachtet: Kontrolle aller Menschen ist ihr Ergebnis, nicht nur die von Attentätern. Es ist den Piraten Erfolg zu wünschen. Und den Menschen ein anderer Bundestag. Denn es ist bedenklich, dass Verfassungsrichter wie ein letztes Aufgebot angerufen werden.
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