Eheläuten im Bundestag
Ungewohnte politische Konstellationen bahnen unerwartete Gesetzesänderung an
Berlin. Parteientaktik führte dazu, dass an diesem Freitag der Bundestag über die Ehe für alle entscheidet. Hals über Kopf geschieht dies, wenn man es an den Jahren bemisst, in denen es trotz mehrheitlicher Befürwortung im aktuellen Bundestag wie in der Bevölkerung nicht zu diesem Votum kam. Ganz ist der Widerstand in den Unionsparteien jedoch nicht verstummt, nachdem Kanzlerin Angela Merkel die Ehe für alle zu einer Gewissensentscheidung erklärte und der SPD die Möglichkeit schuf, in die Offensive zu gehen. Eine Gruppe von Abgeordneten prüft, ob eine abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wegen Unvereinbarkeit mit Artikel sechs des Grundgesetzes möglich ist. Dieses stellt Ehe und Familie unter den »besonderen Schutz der staatlichen Ordnung«.
Die Entscheidung wird die Gruppe damit nicht verhindern. Zu euphorisch sind SPD, LINKE und Grüne angesichts ihrer Chance, der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Vielen ist daran vor allem wichtig, dass dies einmal gemeinsam geschieht; sie hoffen auf das Einläuten einer längerfristigen Liaison. Bereits am Morgen entscheidet das Plenum über den brisanten Tagesordnungspunkt. Auch Unionsabgeordnete, man spricht von einem Drittel der Fraktion, dürften der vorgesehenen Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustimmen. Mehr als eine Einfügung von sieben Worten ist rein juristisch nicht vorgesehen.
Am Ende des Tages wird sich die Mehrheit der Abgeordneten freuen, einen Fortschrittsdienst geleistet und Menschen glücklicher gemacht zu haben. Doch Ehe und Familie stehen damit längst nicht generell unter einem guten Stern. Zum Beispiel: Sobald sie über Grenzen hinweg geschlossen werden, entscheidet die Herkunft plötzlich über Glück und Unglück. Meist schon in Form eines Visums, das erteilt wird. Oder nicht. uka Seiten 2, 3 und 6
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